Das Schloss Im Moor
passende Braut anmarschiert kommt, nicht viel Umstände macht und ihm in heißer Liebe um den Hals fällt.
Nun steht eine solche Verlobung nicht zu erwarten. Eine auf dem Präsentierteller angebotene Braut würde er
unfehlbar ablehnen. Anders wäre es, sehr nett und bequem, wenn man die sanfte, reizende Eugenie umarmen, durch einen
heißen Kuß zur Braut erküren dürfte. Entschieden wäre das auch sehr einfach; man kennt sich seit
Jahr und Tag, die lästigen Besuche, die steifförmliche Werbung, der schnöde Handel um die Mitgift kämen
in Fortfall. Und hat Eugenie wahrscheinlich kein Vermögen, es wäre das sogar angenehm, denn Frauen ohne Mitgift
sind meist anspruchslos und sehr wirtschaftlich, zugleich dankbar.
Theo hatte von Sehnsucht ergriffen die Arme ausgestreckt, wie wenn er seine Pflegerin an sich ziehen und umarmen wollte.
Erglühend wich Eugenie zurück, bereitete eine neue Kompresse und legte dann den feuchten Umschlag auf die
heiße Stirn des Patienten. Das wirkte in zwiefachem Sinne abkühlend. Theo dämpfte denn auch seine so
plötzlich erwachte Sehnsucht und begnügte sich, mit den Augen die zierlichen Bewegungen seiner hübschen
Pflegerin zu verfolgen, bis breitspurig Doktor Freysleben erschien. Eugenie wartete seinen Ausspruch über den Befund ab
und eilte dann zu Frau Tristner.
Zweites Kapitel
In der ländlichen Stille um Schloß Ried mußte das Vorfahren eines Wagens am Schloßportal ein die
Hausgenossen alarmierendes Ereignis sein; Mutter Tristner hörte das Wagenrollen sogleich am Fenster und fragte die
Tochter, wer denn zur Morgenzeit schon komme.
Flink beugte sich Olga zum Fenster hinaus und meldete der augenkranken Mama, daß ein eleganter Herr anfahre und eben
seine Karte abgebe.
»Ein eleganter Herr? Wer kann das sein?« murmelte die alte Frau.
»Weiß auch ich nicht! Sehr modern gekleidet. Na, ich bin nicht wenig neugierig!« rief Olga und trat vom
Fenster weg, erwartungsvoll auf die Tür blickend, durch deren Öffnung Eugenie eintrat. Hinterdrein kam ein
Dienstmädchen mit der Visitenkarte.
»Gib her!« herrschte Olga das Mädchen an und las den Namen ab: Baron Otto Hodenberg. »Nanu! Was
will der Herr?«
Im breiten Dialekt der Moorgegend erwiderte das Mädchen: »Gsagt hat er was, ich hab' die spaßige Red'
aber nicht verstanden; er redet ganz anders als wie bei uns die Leut! Die Brauerei möchte er anschauen, und wenn's
erlaubt ist, hinterdrein die Schloßleut aufsuchen, weil's gleich ist und er Zeit hat!«
»Dumme Gans!« rief Olga, »dergleichen albernes Zeug wird ein Baron nicht gesprochen haben. Führ den
Herrn in den Salon, ich werde ihn dort empfangen!«
»Aber Olga, zu so früher Stunde! Und ein wildfremder Mann!« meinte die Mutter.
»Soll vielleicht ich mit dem Herrn sprechen und ihm eine Begleitung aus dem Büro geben?« fragte Eugenie
dienstwillig.
Die Neugierde war in Olga erwacht, ein adeliger Besuch war im langweiligen Schloß Ried ein Ereignis; schnell
entschlossen erklärte die Tochter des Hauses, die Repräsentanz ausüben zu wollen, und demgemäß
erhielt das Mädchen von Olga Auftrag, den Herrn in den Salon zu geleiten.
Die Mutter beschäftigte hauptsächlich die Frage, was der Besuch für das Geschäft bedeuten könne.
Schloß und Grundbesitz sind so wenig feil wie die Brauerei, ein Käufer hat also nichts zu suchen oder zu hoffen,
und ein Kunde könne der fremde Baron auch nicht sein.
Olga ließ sich auf eine Erörterung dieser Fragen nicht weiter ein und wirbelte fort.
Mutter Tristner nahm nun die Hilfe Eugeniens in Anspruch und schritt, von der Gesellschafterin geführt, hinüber
zum Krankenzimmer des Sohnes . . .
Hochaufgerichtet stand die sehr elegante Gestalt des etwa dreißigjährigen Besuchers, ein blonder Mann von
norddeutschem Typus, den fast weißlichen Bart aufzwirbelnd und dann wieder die Handschuhe glättend. Lässig
trug er einen mit Krone und Monogramm im Futter geschmückten Mantel über den Arm. Baron Hodenberg wollte sich den
Anschein absoluter Blasiertheit geben; doch musterte sein monokelbewaffnetes Auge sehr neugierig die Saloneinrichtung,
gewissermaßen den Wert der Möbel prüfend, und damit die Vermögensverhältnisse der
Schloßbesitzer. Das Ergebnis solcher Prüfung schien den jungen Mann zu befriedigen; es ist jedes Stück
gediegen, der Reichtum unverkennbar, solide Verhältnisse, für die der mächtige Bau des Schlosses schon eine
gewisse Bürgschaft leistet. Nicht minder
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