Das Schloss Im Moor
konnte. Dikte kombinierte dabei einiges scharfsinnig und erklärte,
einen solchen Bruder Leichtfuß noch nie gesehen zu haben. Man müsse sich als anständige Frau wahrhaftig
zurückziehen und den Sausewind seinem verdienten Schicksal überlassen. Auf Besserung sei nicht zu hoffen, denn der
bekundete Leichtsinn müßte himmelschreiend genannt werden, zu bedauern sei nur die alte blinde Mama, die von den
Vorgängen keine Ahnung hatte und schmählich hintergangen worden sei.
»Ich auch!« stotterte Theo. Das war seine ganze Verteidigungsrede. Stumm, demütig stand er vor Benedikte
gesenkten Hauptes.
»Ist das alles, was Sie vorzubringen haben?«
Theo nickte und schwieg.
»Und Sie wollen ein Mann sein? Steht der Mensch vor mir und wagt es gar nicht, sich zu verteidigen! Da muß man
ja glauben, daß Sie ein hartgesottener Sünder oder ein betrogenes armes Hascherl sind!«
»Mehr Hascherl!« stotterte Theo.
Dikte lachte auf: »Nun, ich will ans Hascherl glauben! Es ist aber höchste Zeit zum Beginn eines
anständigen Lebenswandels, den Bruder Leichtfuß darf man nicht mehr aus den Augen lassen, der Sausewind muß
ständig bemuttert und überwacht werden. Da Mama Tristner dieses Amt nicht führen kann, werde ich es
übernehmen . . .«
»Ich bitt' schön darum!« bettelte Theo herzlich und reumütig.
»Na, beim Schloßbräuer scheint Hopfen und Malz doch nicht verloren zu sein! Aber freisprechen kann ich
Sie noch nicht ganz, denn es fehlt die volle Beichte. Raus mit der Sprache, Sie Hascherl! Wieweit ging die Beziehung mit
Ihrer famosen Braut?«
»Sie hat mich ›fürig'fangt‹ und mit Küssen närrisch gemacht! Sonst ist gottlob nichts
passiert. Zum Heiraten hat sie gedrängelt, ich gewiß nicht! Lieber sterben!«
»Ist das wahr?«
»Ja, gestrenge Richterin! Ich glaube, es hat der Wurm alles eingefädelt und ich Gimpel bin auf seinen Leim
gekrochen!«
»Erzählen Sie mir alles von Beginn an!«
Gehorsam beichtete Theo, und immer freier ward ihm dabei das Herz; er begann zu hoffen, daß Dikte doch verzeihen
werde, in dieser Hoffnung wuchs die Schneid, und am Schluß seiner Beichte fand er den Mut zu sagen, daß er eines
Haltes im Leben bedürfe und nach seinem schauerlichen Reinfall schleunigst heiraten müsse, und zwar diejenige, die
immer und trotz alledem seine Herzenskönigin gewesen sei: Benedikte von Zankstein!
»So eine Frechheit!« zeterte Dikte, lachte aber dabei.
»Es geht nicht anders! Bitte, sagen Sie ja, sonst entgleise ich richtig und werde abermals
›fürig'fangt‹. Ein zarter Mensch wie ich, muß von seiner Gebieterin bemuttert werden!«
»Schluß, Schluß! Ein Brauherr und zarter Mensch – schauerliche Behauptung!«
»Aber wahr! Sie verwechseln mich momentan mit dem Bären Haferditzel! Betrachten Sie mich gütigst, bin ich
nicht fast sylphidenhaft?«
»Schrecklicher Mensch! Man kann ihm nicht böse sein! Also ich vergebe Ihnen unter der Bedingung, daß von
den Fotos der Festgruppe diejenige, auf der die verflossene ›Braut‹ so nett die Zunge herausstreckt,
während unserer Verlobungszeit auf Ihrem Schreibtisch paradiert!«
»Gnade, Gnade! Ich bin bestraft genug!« wimmerte scherzhaft der junge Schloßherr.
»Nein, ich bleibe unerbittlich, Strafe muß sein! Am Hochzeitstage kann jenes Bild vernichtet werden. Und nun
genehmige ich in Gnaden die Annahme Ihrer Werbung. Mit dem Verlobungskuß wird aber gewartet, bis Mama uns ihren Segen
erteilt hat. Hascherl wird mich jetzt zur Mama begleiten!«
Küssen mußte Theo nun im heißen Drange der Befreiung und Dankbarkeit, er haschte nach Diktens Hand und
drückte einen Kuß darauf.
»Na, da mein Hascherl so hübsch folgsam ist, kann man nicht so sein!« sprach Dikte lächelnd, nahm
Theo beim Kopf und küßte den längst geliebten Freund und Sausewind herzhaft auf die Lippen.
Beim Geräusch der Türöffnung wollte das Paar erschreckt auseinanderfahren.
»Bitte sich nicht stören zu lassen! Wir sind in gleicher Lage!« rief Doktor Thein und fügte bei:
»Als Verlobte empfehlen sich Amtsrichter Thein und Olga Tristner!«
»Gratuliere!« jubelte Theo, »ich habe, nein, Dikte, hat sich mit mir soeben verlobt!«
Nun gratulierte Doktor Thein dem Paare, und Olga weinte und lachte vor Freude.
Vier glückliche Menschen fanden sich im Zimmer Mamas ein. Erstaunt horchte die blinde Matrone auf, den Kopf mit den
erloschenen Augen dem Geräusch der Schritte zugewendet. »Wer kommt?«
Doktor Thein berichtete summarisch
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