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Das Schloss von Otranto

Titel: Das Schloss von Otranto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horace Walpole
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unglückliches Frauenzimmer sich meinen Schutz begiebt. Während dieses Verhörs ging Matilde in Hippolitens Gemach. An dem obern Ende der Halle, wo Manfred saß, war eine bedeckte Gallerie mit Gitterfenstern, durch welche Matilde und Bianca gehen musten. Da sie ihres Vaters Stimme vernahm, und seine Diener um ihn versammelt sah, stand sie still, zu erfahren was es gäbe. Bald zog der Gefangene ihre Aufmerksamkeit an sich. Die feste und gesetzte Art, womit er antwortete, und der Edelmuth seiner letzten Erklärung, deren Worte das erste waren, was sie deutlich verstand, nahmen sie zu seinem Vortheil ein. Sein Wuchs war edel, schön, und selbst in dieser Lage ansehnlich, aber bald fiel ihr nichts so sehr auf, als sein Gesicht. Himmel! Bianca! träum' ich? sprach die Prinzessin leise, oder ist dieser Jüngling das wahre Ebenbild von dem Gemälde Alfonso's in der Gallerie? Sie konnte nicht weiter reden, denn ihres Vaters Stimme ward lauter bey jedem Wort. Diese Prahlerey sprach er, geht noch weiter als alle deine vorige Unverschämtheit. Du sollst den Zorn empfinden, dessen du zu spotten wagst. Greift ihn, fuhr Manfred fort, und bindet ihn. Die erste Neuigkeit, welche die Prinzessin erfährt, sey, daß er ihrentwegen den Kopf verloren habe! Die Ungerechtigkeit, die Sie sich gegen mich zu Schulden kommen lassen, erwiederte Theodor, überzeugt mich, daß ich eine gute That verrichtete, da ich die Prinzessin von Ihrer Tyranney befreyte. Möge sie glücklich seyn, was auch aus mir wird! Dies ist ein Liebhaber! rief Manfred wüthend. Solche Empfindungen hegt kein Bauer, wenn er dem Tode ins Gesicht sieht. Entdecke mir, rascher Knabe, wer du bist, oder die Folter soll dir das Geheimniß entreissen! Sie haben mich schon mit dem Tode bedroht, antwortete der Jüngling, weil ich Ihnen die Wahrheit sagte. Findet meine Aufrichtigkeit keine andre Ermunterung, so versucht mich das nicht, eitle Neugier weiter zu befriedigen. Du willst also nicht sprechen? fragte Manfred. Nein, erwiederte er. Führt ihn auf den Hofplatz, sprach Manfred. Man soll ihm sogleich das Haupt abschlagen. Matilde fiel bey diesen Worten in Ohnmacht. Bianca schrie: zu Hülfe! zu Hülfe! die Prinzessin stirbt! Manfred fuhr bey diesem Aufruf zusammen, und fragte, was es gäbe? Der junge Landmann hörte ihn auch, ward mit Grausen erfüllt, und fragte eifrig eben das. Aber Manfred befahl, ihn schleunigst in den Hof hinabzuführen, und dort alles zu seiner Hinrichtung bereit zu halten, bis er die Ursache von Bianca's Geschrey erfahren haben werde. Als er hörte, was es bedeute, nannte er es eine Anwandlung weibischen Schreckens, befahl, Matilden in ihr Gemach zu bringen, eilte auf den Hof, rief einen von seiner Wache, und gebot Theodoren nieder zu knien, daß er den Todesstreich empfänge.
    Der unerschrockene Jüngling hörte dies Urtheil, mit einer Ergebung, die jedes Herz rührte, außer Manfreds. Er wünschte sehnlichst zu wissen, was die Worte bedeuteten, womit man der Prinzessin erwähnte; aber er gab es auf, aus Besorgniß, den Tyrannen noch mehr gegen sie aufzubringen. Nur eine Gnade, ließ er sich herab, zu erbitten, daß man ihm einen Beichtiger erlauben möge, um sich mit dem Himmel versöhnen zu können. Manfred hofte durch den Beichtvater, die Geschichte des Jünglings zu erfahren, und bewilligte diese Forderung gern. Aus Ueberzeugung, daß Vater Geronimo es jetzt mit ihm halte, befahl er ihn zu rufen, daß er des Gefangenen Beichte höre. Der ehrwürdige Mann, der nichts weniger vorhergesehen hatte, als daß seine Unvorsichtigkeit zu einem solchen Ausgange führen würde, fiel dem Fürsten zu Füssen, und beschwor ihn auf die feyerlichste Weise, unschuldiges Blut nicht zu vergiessen. Er klagte sich mit den bittersten Ausdrücken der Unbedachtsamkeit an, versuchte den Jüngling zu entschuldigen, und ließ nichts unerprobt, die Wuth des Tyrannen zu mildern. Manfred vielmehr aufgebracht, als zufrieden gesprochen, durch Geronimo's Vermittelung, dessen Widerruf ihn jetzt argwöhnen ließ, daß er von beyden hintergangen sey, befahl dem Mönch, seine Schuldigkeit zu thun, und setzte hinzu, er wolle dem Gefangenen nicht viele Minuten Zeit lassen, seine Sünden zu bekennen. Auch bedarf ich dazu nicht vieler, gnädiger Herr, sagte der unglückliche junge Mann. Die Zahl meiner Sünden, ist, Dank dem Himmel! nicht ansehnlich, noch sind sie schwerer, als man bey meinen Jahren erwarten kann. Trocknen Sie Ihre Zähren, guter Vater, und lassen Sie uns eilen. Dies ist

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