Das Schloss von Otranto
Ihr Sohn bleibt hier, als Geisel Ihrer Treue. Von Ihren Gehorsam hängt sein Leben ab. Guter Gott! gnädiger Herr! rief Geronimo, vor einem Augenblick vergaben Ihre Hoheit meinen Sohn unbedingt: haben Sie sobald der Zeichen des Himmels vergessen? Der Himmel, erwiederte Manfred, sendet keinen Herold, die Rechte eines gesetzmäßigen Fürsten in Anspruch zu nehmen. Ich zweifle sogar, ob er einem Klosterbruder aufträgt, seinen Willen kund zu thun; aber das ist Ihre Sache, nicht die meinige. Jetzt wissen Sie meinen Willen, und bringen Sie mir die Prinzessin nicht zurück, so rettet kein vorlauter Herold Ihren Sohn. Vergeblich versuchte der ehrwürdige Greis, etwas hierauf zu erwiedern. Manfred ließ ihn zum hintern Thor geleiten, und von der Burg ausschließen. Einigen seiner Bedienten befahl er, Theodoren in das obere Geschoß des schwarzen Thurms zu führen, und strenge zu bewachen. Kaum erlaubte er, daß sich Vater und Sohn beym Abschied umarmen durften. Dann begab er sich in die Halle, setzte sich nieder in fürstlichem Staat, und befahl, daß man den Herold vorführe.
Nun, Plaudermaul! sagte Manfred, was willst du von mir? Ich komme, erwiederte der Herold, zu Manfred, dem unrechtmässigen Besitzer des Fürstenthums Otranto, von Seiten des berühmten unüberwindlichen Ritters, Ritters vom Riesensäbel; im Namen seines Herrn, Friedrichs Markgrafen von Vicenza: er fordert die Prinzessin Isabelle, Tochter dieses Fürsten, deren du dich niederträchtiger und verrätherischer Weise bemächtigt hast, da du ihre treulosen Vormünder, in seiner Abwesenheit, bestachst; er fordert, daß du das Fürstenthum Otranto aufgebest, das du besagtem Fürsten Friedrich, dem nächsten Blutsverwandten seines letzten rechtmäßigen Besitzers, Alfonso des Guten, widerrechtlicher Weise vorenthältst. Thust du diesen gerechten Ansprüchen nicht augenblicklich Genüge, so fordert er dich auf zum Zweykampf, bis auf den letzten Tropfen deines Bluts. So sprach der Herold, und warf seinen Stab vor ihm hin.
Wo ist der Prahlhans, der dich sendet? fragte Manfred. Eine Stunde von hier, antwortete der Herold; er kommt, seines Herrn Forderungen gegen dich zu behaupten, so wahr er ein rechtschaffener Ritter ist, du aber ein unrechtmässiger Besitzer und Räuber. So beleidigend diese Herausforderung war, überlegte Manfred doch, daß es nicht gut für ihn sey, den Markgrafen zu reizen. Er wuste, wie wohl gegründet Friedrichs Ansprüche waren, und hatte nicht erst jetzt das erste Wort davon gehört. Seit Alfonso der Gute, ohne Nachkommenschaft gestorben war, hatten Friedrichs Vorfahren den Titel, Fürsten von Otranto, angenommen. Nur waren Manfred, sein Vater, und Großvater zu mächtig gewesen, als daß das Haus von Vicenza sie aus dem Besitz hätte vertreiben können. Friedrich, ein tapfrer und verliebter junger Fürst, heirathete eine schöne junge Prinzessin, die er herzlich liebte. Sie starb im Kindbett mit Isabellen. Ihr Tod rührte ihn so sehr, daß er das Kreutz nahm, und ins gelobte Land ging, wo er in einem Treffen gegen die Ungläubigen verwundet, gefangen, und tod gesagt ward. Als diese Post zu Manfreds Ohren kam, bestach er die Vormünder der Donna Isabella, sie ihm, als Braut seines Sohnes Corrado, in die Hände zu liefern. Durch diese Verbindung nahm er sich vor, die Ansprüche beyder Häuser zu vereinigen. Dieser Bewegungsgrund hatte, da Corrado starb, seinen schleunigen Entschluß hervorgebracht, sie selbst zu heirathen; und eben diese Betrachtung bestimmte ihn jetzt, zu versuchen, ob er nicht Friedrichs Einwilligung zu dieser Heyrath erhalten könne. Eben diese Absicht gab ihm den Gedanken ein, Friedrichs Ritter in die Burg zu laden, damit er Isabellens Flucht nicht erführe, deren, gegen jemand aus des Ritters Gefolge, zu erwähnen, er seinen Hausleuten strenge verbot.
Herold, sprach Manfred, sobald seine Ueberlegung zur Reife gediehen war, kehre zurück zu deinem Herrn, und sag' ihm, ehe wir mit dem Schwerdt unsern Zwiespalt schlichten, wolle Manfred sich mit ihm besprechen. Heiß ihn willkommen in meiner Burg, wo er bey meiner Treue, so wahr ich ein rechtschaffener Ritter bin, freundschaftliche Aufnahme finden soll, und völlige Sicherheit für sich und sein Gefolge. Können wir unsern Streit nicht friedlich vertragen, so schwör' ich, er soll ungekränkt von dannen ziehn, und volle Genugthuung erhalten, nach Waffenrecht und Sitte. So helfe mir Gott und seine heilige Dreyfaltigkeit! Der Herold verbeugte sich dreymal und
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