Das Schloss von Otranto
Ich sterbe. Ist Isabelle in der Nähe, so werde sie gerufen, ich habe ihr wichtige Geheimnisse zu – Er liegt am letzten, sagte einer von den Umstehenden. Hat niemand einen Herr-Gott in der Ficke? Andrea, du weist zu beten. – Holt Wasser, sprach Theodor, und gießt es ihm übers Gesicht. Ich eile zur Prinzessin. – Mit diesen Worten rannte er zur Prinzessin, und erzählte ihr, bescheidentlich, mit kurzen Worten: durch ein Mißverständniß sey er so unglücklich gewesen, einen Herrn von ihres Vaters Hofe zu verwunden, der ihr vor seinem Ende noch etwas wichtiges zu entdecken wünsche. Die Prinzessin hörte Theodors Stimme mit Entzücken, als er ihr rief, herauszukommen. Was sie jetzt vernahm, setzte sie in Erstaunen. Indessen hatte dieser neue Beweis seiner Tapferkeit ihre zerstreuten Lebensgeister zurück gerufen. Sie erlaubte Theodoren, ihr den Arm zu geben. Sie kamen hin, wo der blutende Ritter sprachlos auf der Erde lag, aber bei dem Anblick der Bedienten Manfreds kehrte ihre Furcht zurück. Sie wollte wieder entfliehn, als Theodor sie bemerken machte, daß diese Leute unbewafnet wären, und ihnen augenblicklichen Tod drohte, wenn sie es wagen würden, die Prinzessin anzurühren. Der Fremdling öfnete seine Augen, und sah ein Frauenzimmer. Bist du, fragt' er, bist du wirklich Isabelle von Vicenza? Ich bin es, antwortete sie, Gott sey dir gnädig! Du – du – sagte der Ritter, dem es unsäglich schwer zu reden ward – siehst – deinen – Vater – um – arme – Entsetzlich! schrecklich! was hör' ich? was seh' ich? rief Isabelle. Mein Vater! Sie, mein Vater? wie kommen Sie hieher? um Gotteswillen! eilt! rennt nach Hülfe! er stirbt! – Ja, sprach der verwundete Ritter, und bot alle Kraft auf, deren er fähig war, ich bin dein Vater Friedrich – ich kam her, dich zu befreyen – es hat nicht seyn sollen – umarme mich zum Abschied – und nimm – Gnädiger Herr, sagte Theodor, erschöpfen Sie sich nicht, lassen Sie sich in die Burg tragen. – In die Burg? rief Isabelle. Ist keine nähere Zuflucht als die Burg? Will man meinen Vater dem Tyrannen aussetzen? Ich darf nicht mit ihm, wenn er dorthin gebracht wird! wie soll ich ihn verlassen? Kind, sagte Friedrich, es ist einerley, wohin man mich bringt. Nach kurzen Augenblicken bin ich außer aller Gefahr. Aber so lange ich Augen habe, mich an dir zu freuen, verlaß mich nicht, gute Isabelle. Dieser wackre Ritter, den ich nicht kenne, beschützt deine Unschuld. Ritter, Sie verlassen mein Kind nicht! Theodor kniete weinend neben seinem Opfer, und gelobte, die Prinzessin mit seinem Leben zu bewachen. So ließ sich Friedrich überreden, in die Burg getragen zu werden. Man verband seine Wunden, so gut man konnte, und setzte ihn auf ein Pferd, das einem der Bedienten gehörte. Theodor ging ihm zur Seite, und die betrübte Isabelle, die sich nicht mehr von ihm scheiden konnte, folgte traurend.
Vierter Abschnitt
Sobald der kummervolle Zug in die Burg trat, gingen ihm Hippolite und Matilde entgegen, die Isabelle, durch einen vorausgesandten Bedienten, von ihrer Ankunft benachrichtigt hatte. Die Damen ließen Friedrich in das nächste Zimmer tragen, und begaben sich weg, während die Wundärzte seine Wunden untersuchten. Matilde erröthete, Isabellen und Theodoren bey einander zu sehn: doch suchte sie es zu verbergen, indem sie jene umarmte, und ihr Beyleid an dem Unfall ihres Vaters bezeugte. Bald berichteten die Aerzte der Fürstin, von des Markgrafen Wunden sey keine gefährlich; auch wünsche er seine Tochter und die Prinzessinnen zu sehn. Theodor konnte dem innern Triebe, Matilden zu folgen, nicht widerstehn, und gab vor, er müsse seine Freude an den Tag legen, daß er nicht länger besorgen dürfe, Friedrichen im Zweykampf erlegt zu haben. Aber Matildens Augen senkten sich so oft, wenn sie den seinigen begegneten, daß Isabelle, die ihn eben so aufmerksam beobachtete, als er Matilden anstarrte, bald errieth, wer der Gegenstand seiner Neigung sey, dessen er in der Höhle gegen sie erwähnte. – Während dieses stummen Auftrittes, fragte Hippolite den Markgrafen: warum er diesen geheimnißvollen Weg eingeschlagen sey, seine Tochter zurückzufordern? und streute bey der Gelegenheit verschiedene Gründe ein, die ihren Gemahl entschuldigen sollten, daß er eine Eheverbindung zwischen ihren beyderseitigen Kindern gesucht habe. Friedrich war wohl wider Manfred aufgebracht, aber darum nicht unempfindlich gegen Hippolitens Höflichkeit und Wohlwollen. Mehr noch
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