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Das Schloss von Otranto

Titel: Das Schloss von Otranto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horace Walpole
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rührte ihn Matildens liebliche Gestalt. Weil er sie an seinem Lager zu verweilen wünschte, berichtete er Hippoliten seine Geschichte. Er war, so erzählte er, bey den Ungläubigen gefangen, als ihm träumte, seine Tochter, von der er seit seiner Gefangennehmung nichts erfahren hatte, sey in eine Burg gesperrt, wo sie das allerschrecklichste Unglück bedrohe: und würde er in Freyheit gesetzt, so solle er sich in einen Wald neben Joppe begeben, dort werde ihm mehr offenbart. Der Traum beunruhigte ihn, er konnte der Anweisung, die er ihm gab, nicht gehorchen, seine Ketten drückten ihn schwerer als zuvor. Indem er aber hin und her überlegte, wie er es anstellen müsse, seine Freiheit zu erlangen, erhielt er die angenehme Nachricht, daß die verbündeten, in Palästina kriegführenden Fürsten, sein Lösegeld bezahlt hätten. Sogleich brach er auf zu dem Walde, welchen sein Traum bezeichnet hatte. Zwey Tage lang wanderten er und seine Gefährten durch den Forst, ohne eine menschliche Gestalt zu entdecken. Am Abend des dritten kamen sie zu einer Zelle, wo sie einen ehrwürdigen Einsiedler mit dem Tode ringend fanden. Durch die Hülfe köstlicher Herzstärkungen, gaben sie dem heiligen Manne die Sprache wieder. Kinder, sprach er, ich dank' euch um eurer Barmherzigkeit willen. Aber sie kann mir nicht helfen. Ich gehe in die ewige Ruhe. Ich sterbe zufrieden, da ich den Willen des Himmels erfülle. Als ich mich zuerst in diese Einsamkeit begab, da ich mein Vaterland eine Beute der Ungläubigen sah – seit ich dieses fürchterlichen Auftrittes Zeuge ward, sind leider funfzig Jahr verflossen – erschien mir, der heilige Niklas, ein Geheimniß zu offenbaren, das er, vor meinem Todeskampfe, keinem sterblichen Manne zu entdecken gebot. Dies ist die furchtbare Stunde, und ohne Zweifel seyd ihr die auserwählten Krieger, denen ich das anvertraute Geheimniß entdecken soll. Sobald diesem armseligen Leichnam der letzte Dienst erwiesen ist, grabt unter dem siebenten Baume nach, der zur linken dieser dürftigen Höhle steht, und eure Mühe – Herr, mein Gott, nimm meinen Geist auf! Dies war der letzte Seufzer des frommen Mannes. Bey Tagesanbruch, fuhr Friedrich fort, verscharrten wir seine heiligen Gebeine in die Erde, und gruben an der Stäte, die er uns angegeben hatte. – Wie groß war unser Erstaunen, als wir in einer Tiefe von ungefähr sechs Fuß, das ungeheure Schwerd entdeckten, das jetzt in Ihrem Hofe liegt. Auf der Klinge, die damals zum Theil ausser der Scheide war, obgleich wir sie nachher hereinstiessen, um das Ganze fortbringen zu können, lasen wir folgende Zeilen – Gnädige Frau, sagte der Markgraf, und wandte sich gegen Hippolite, es ist besser ich wiederhole sie nicht. Ich ehre Ihr Geschlecht und Ihren Rang, und mag Ihr Ohr nicht durch Ausdrücke kränken, die das beleidigen, was Ihnen theuer seyn muß. Er schwieg. Hippolite zitterte. Sie zweifelte nicht, der Himmel habe Friedrichen bestimmt, das Geschick zu vollführen, welches ihr Haus zu bedrohen schien. Mit zärtlicher Angst sah sie auf Matilden, eine geheime Zähre schlich sich über ihre Wangen. Aber sie erholte sich, und sprach: Reden Sie weiter, mein Fürst. Der Himmel thut nichts umsonst. Wir Menschen müssen seine göttlichen Gebote, in Demuth und Unterwürfigkeit annehmen. Uns geziemt es, seinen Zorn abzubitten, oder uns vor seinem Rathschluß zu beugen. Wiederholen Sie sein Urtheil, gnädiger Herr, wir sind auf alles gefaßt. Friedrich war bekümmert, so weit gegangen zu seyn. Hippolitens Würde und geduldige Festigkeit erfüllten ihn mit Ehrfurcht, und die zarte schweigende Liebe, mit der sich die Fürstin und ihre Tochter ansahen, erweichte ihn fast zu Thränen. Doch fürchtete er, sie noch mehr zu beunruhigen, wenn er länger anstände nachzugeben, und so wiederholt' er, mit leiser stammelnder Stimme, folgende Zeilen:
    Wo sich dies Schwerd zu seinem Helm gesellet,
wird deiner Tochter fährlich nachgestellet:
Alfonso's Blut ist ihr zum Schutz beschieden,
und beut dem Geist des Ahnherrn endlich Frieden.
    Was gehn die Fürstinnen diese Reime an? fragte Theodor ungeduldig. Musten sie durch eine geheimnißvolle Zurückhaltung erschreckt werden, die so wenig Grund hat? Das sind harte Worte, junger Mann, sprach der Markgraf. Wem das Schicksal einmal günstig war – Mein theurer Vater, sprach Isabelle, empfindlich über Theodors Hitze, die wie sie wohl merkte, ihren Grund in seinen Gefühlen für Matilde hatte, werden Sie nicht ungehalten über die

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