Das Schloss von Otranto
freundlosen Jüngling. Hat der Himmel mich zu Ihrem Retter erkohren, so wird er sein Werk vollbringen, und meinen Arm stärken für Ihre Sache. Kommen Sie, Signora, wir sind dem Eingang der Höle zu nah, lassen Sie uns ihren verborgensten Winkel aufsuchen, ich kann nicht ruhen, bis ich Sie ausser aller Gefahr weiß. Ach! was verlangen Sie? antwortete die Prinzessin. Ihre Handlungen sind edelmüthig, Ihre Gesinnungen bezeugen die Reinheit Ihrer Seele: aber schickt es sich deswegen, daß ich Ihnen allein in diese verborgene Einöde folge? Wenn man uns beysammen antrift, was wird die richtende Welt von meinem Betragen denken? Ich verehre Ihre tugendsame Bedenklichkeit, sprach Theodor; und danke Ihnen, daß Sie nichts gegen meine Ehre argwöhnen. Ich war nur gemeint, Sie in die allergeheimste Höle dieser Felsen zu begleiten, und dann, mit Gefahr meines Lebens, ihren Eingang gegen alles, was Leben hat, zu bewachen. Sie sind schön, Signora, und Ihre Gestalt ist vollendet, auch trift meine Wünsche der Vorwurf empor zu streben: aber wissen Sie, fuhr er mit einem tiefen Seufzer fort, meine Seele ist bereits einer andern gewidmet. – Ein plötzliches Getöse verhinderte Theodoren fortzufahren. Bald vernahmen sie: Isabelle! holla, Isabelle! Die zitternde Prinzessin verfiel sogleich wieder in ihre vorige Beängstigung. Theodor versuchte vergeblich ihr Muth einzuflößen. Er schwur, lieber sterben zu wollen, als zu dulden, daß sie in Manfreds Gewalt zurückkehre, bat sie versteckt zu bleiben, und ging hinaus, um der Annäherung dessen, der sie suchte, zuvorzukommen.
Am Eingang der Höle fand er einen bewafneten Ritter, mit einem Bauren sprechend, der ihm versicherte, er habe ein Frauenzimmer die Felsengänge einschlagen sehn. Der Ritter brach auf sie zu suchen, als Theodor mit gezucktem Schwerd in seinen Weg traf, und ihm herrisch abzustehn gebot, so lieb ihm das Leben sey. Wer bist du, der mich aufzuhalten wagt? sprach hochbrüstig der Ritter. Einer der nicht mehr wagt, als er ausführen kann, antwortete Theodor. Ich suche Donna Isabella, fuhr der Ritter fort, und vernehme, sie habe sich zwischen diese Felsen geflüchtet. Weiche mir, oder du wirst es bereuen, meinen Zorn gereizt zu haben. Ich hasse dein Vorhaben, antwortete Theodor, und verachte deinen Zorn. Kehre zurück woher du kamst, oder du wirst bald erfahren, wer von uns am schrecklichsten zürnt. Der Fremde war der vornehmste Ritter, unter den Gesandten des Marggrafen von Vicenza; er hatte seinem Pferde die Sporen gegeben, als Manfred beschäftigt war, sich nach der Prinzessin zu erkundigen, und verschiedene Befehle ertheilte, um zu verhindern, daß sie den drey Rittern nicht in die Hände fiele. Der Ritter hegte den Verdacht, Manfred wisse um den heimlichen Aufenthalt der Prinzessin. Dieser Trotz eines Mannes, den er von dem Fürsten hergesezt glaubte, sie zu verheimlichen, bestärkte seinen Argwohn. Darum antwortete er nicht, sondern versetzte dem Theodor, welcher ihn für einen von Manfreds Hauptleuten hielt, einen Schwerdstreich, der allen Widerstand hinweg geräumt haben würde, hätte dieser, eben so geschickt seinen Gegner aufzufordern, als bereit, ihm zu wehren, den Hieb nicht mit seinem Schilde aufgefangen. Die Tapferkeit, die er so lange in seinem Busen ersticken müssen, brach mit einemmale hervor, er stürzte unaufhaltbar auf den Ritter, den Stolz und Ingrimm nicht minder zu gewaltigen Thaten aufriefen. Der Zweykampf tobte, aber nicht lange. Theodor verwundete den Ritter dreymal, und entwafnete ihn zuletzt, da er aus Blutverlust ohnmächtig ward. Der Bauer war bey dem ersten Streich davon gelaufen, und hatte einige von Manfreds Leuten herbeygerufen, die auf seinen Befehl sich im Walde zerstreut hatten, Isabellen zu suchen. Sie kamen grade dazu als der Ritter fiel, den sie bald für den edeln Fremdling erkannten. Theodor konnte ohngeachtet seines Hasses gegen Manfred, den Sieg, welchen er erfochten, nicht ohne mitleidige und großmüthige Bewegung ansehn. Aber noch gerührter ward er, als man ihm sagte, wer sein Gegner, und daß er Manfreds Feind, nicht sein Untergebener sey. Er stand den Dienern bey, den Ritter zu entwafnen, und bemühte sich wie sie, das Blut seiner Wunden zu stillen. Als der Ritter die Sprache wieder erhielt, sagte er mit schwacher gebrochner Stimme: Großmüthiger Feind, wir waren beide im Irrthum. Ich hielt Sie für ein Werkzeug des Tyrannen. Sie haben sich an mir, merk' ich, gleichfalls betrogen. Entschuldigungen kommen zu spät.
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