Das Schloß
war als wolle er sich von hier aus dem Beamten oben bemerkbar machen und erklären, wie unverschuldet seine Abwesenheit sei. Und es wurde eine lange Abwesenheit, er kehrte gar nicht mehr dorthin zurück, wochenlang mußte er im Bett bleiben. Amalia übernahm die Bedienung, die Pflege, die Behandlung, alles, und hat es mit Pausen eigentlich bis heute behalten. Sie kennt Heilkräuter, welche die Schmerzen beruhigen, sie braucht fast keinen Schlaf, sie erschrickt nie, fürchtet nichts, hat niemals Ungeduld, sie leistete alle Arbeit für die Eltern; während wir aber, ohne etwas helfen zu können, unruhig herumflatterten, blieb sie bei allem kühl und still. Als dann aber das Schlimmste vorüber war und der Vater vorsichtig und rechts und links gestützt wieder aus dem Bett sich herausarbeiten konnte, zog sich Amalia gleich zurück und überließ ihn uns.«
20 Olgas Pläne
»Nun galt es wieder irgendeine Beschäftigung für den Vater zu finden, für die er noch fähig war, irgendetwas, was ihn zumindest in dem Glauben erhielt, daß es dazu diene, die Schuld von der Familie abzuwälzen. Etwas derartiges zu finden war nicht schwer, so zweckdienlich wie das Sitzen vor Bertuchs Garten war im Grunde alles, aber ich fand etwas, was sogar mir einige Hoffnung gab. Wann immer bei Ämtern oder Schreibern oder sonstwo von unserer Schuld die Rede gewesen war, war immer wieder nur die Beleidigung des Sortinischen Boten erwähnt worden, weiter wagte niemand zu dringen. Nun, sagte ich mir, wenn die allgemeine Meinung, sei es auch nur scheinbar, nur von der Botenbeleidigung weiß, ließe sich, sei es auch wieder nur scheinbar, alles wieder gutmachen, wenn man den Boten versöhnen könnte. Es ist ja keine Anzeige eingelaufen, wie man erklärt, die Sache hat also noch kein Amt in der Hand und es steht demnach dem Boten frei, für seine Person, und um mehr handelt es sich nicht, zu verzeihen. Das alles konnte ja keine entscheidende Bedeutung haben, war nur Schein und konnte wieder nichts anderes ergeben, aber dem Vater würde es doch Freude machen und die vielen Auskunftgeber, die ihn so gequält hatten, könnte man damit vielleicht zu seiner Genugtuung ein wenig in die Enge treiben. Zuerst mußte man freilich den Boten finden. Als ich meinen Plan dem Vater erzählte, wurde er zuerst sehr ärgerlich, er war nämlich äußerst eigensinnig geworden, zum Teil glaubte er, während der Krankheit hatte sich das entwickelt, daß wir ihn immer am letzten Erfolg gehindert hätten, zuerst durch Einstellung der Geldunterstützung, jetzt durch Zurückhalten im Bett, zum Teil war er gar nicht mehr fähig fremde Gedanken völlig aufzunehmen. Ich hatte noch nicht zuendeerzählt, schon war mein Plan verworfen, nach seiner Meinung mußte er bei Bertuchs Garten weiter warten und, da er gewiß nicht mehr imstande sein würde täglich hinaufzugehn, müßten wir ihn im Handkarren hinbringen. Aber ich ließ nicht ab und allmählich söhnte er sich mit dem Gedanken aus, störend war ihm dabei nur, daß er in dieser Sache ganz von mir abhängig war, denn nur ich hatte damals den Boten gesehn, er kannte ihn nicht. Freilich, ein Diener gleicht dem andern und völlig sicher dessen, daß ich jenen wiedererkennen würde, war auch ich nicht. Wir begannen dann in den Herrenhof zu gehn und unter der Dienerschaft dort zu suchen. Es war zwar ein Diener Sortinis gewesen und Sortini kam nicht mehr ins Dorf, aber die Herren wechseln häufig die Diener, man konnte ihn recht wohl in der Gruppe eines andern Herrn finden und wenn er selbst nicht zu finden war, so konnte man doch vielleicht von den andern Dienern Nachricht über ihn bekommen. Zu diesem Zweck mußte man allerdings allabendlich im Herrenhof sein und man sah uns nirgends gern, wie erst an einem solchen Ort; als zahlende Gäste konnten wir ja auch nicht auftreten. Aber es zeigte sich, daß man uns doch brauchen konnte; Du weißt wohl, was für eine Plage die Dienerschaft für Frieda war, es sind im Grunde meist ruhige Leute, durch leichten Dienst verwöhnt und schwerfällig gemacht, ‚es möge Dir gehn wie einem Diener’ heißt ein Segensspruch der Beamten und tatsächlich sollen, was Wohlleben betrifft, die Diener die eigentlichen Herren im Schloß sein; sie wissen das auch zu würdigen und sind im Schloß, wo sie sich unter seinen Gesetzen bewegen, still und würdig, vielfach ist mir das bestätigt worden und man findet auch hier unter den Dienern noch Reste dessen, aber nur Reste, sonst sind sie dadurch, daß
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