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Das Schloß

Das Schloß

Titel: Das Schloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Unzufriedenheit genug war, niemand aber etwas dagegen einzuwenden hatte, daß Erlanger die Parteien mitten in der Nacht berief. Er fragte danach und erhielt die Auskunft, daß man dafür Erlanger sogar sehr dankbar sein müsse. Es sei ja ausschließlich sein guter Wille und die hohe Auffassung, die er von seinem Amte habe, die ihn dazu bewegen überhaupt ins Dorf zu kommen, er könnte ja, wenn er wollte – und es würde dies sogar den Vorschriften vielleicht besser entsprechen – irgendeinen untern Sekretär schicken und von ihm die Protokolle aufnehmen lassen. Aber er weigere sich eben meistens dies zu tun, wolle selbst alles sehn und hören, müsse dann aber zu diesem Zwecke seine Nächte opfern, denn in seinem Amtsplan sei keine Zeit für Dorfreisen vorgesehn. K. wandte ein, daß doch auch Klamm bei Tag ins Dorf komme und sogar mehrere Tage hier bleibe; sei denn Erlanger, der doch nur Sekretär sei, oben unentbehrlicher? Einige lachten gutmütig, andere schwiegen betreten, diese letzteren bekamen das Übergewicht und es wurde K. kaum geantwortet. Nur einer sagte zögernd, natürlich sei Klamm unentbehrlich, im Schloß wie im Dorf.
    Da öffnete sich die Haustür und Momus erschien zwischen zwei lampentragenden Dienern. »Die ersten, die zum Herrn Sekretär Erlanger vorgelassen werden«, sagte er, »sind: Gerstäcker und K. Sind die zwei hier?« Sie meldeten sich, aber noch vor ihnen schlüpfte Jeremias mit einem: »Ich bin hier Zimmerkellner«, von Momus lächelnd mit einem Schlag auf die Schulter begrüßt ins Haus. »Ich werde auf Jeremias mehr achten müssen«, sagte sich K., wobei er sich dessen bewußt blieb, daß Jeremias wahrscheinlich viel ungefährlicher war als Artur, der im Schloß gegen ihn arbeitete. Vielleicht war es sogar klüger, sich von ihnen als Gehilfen quälen zu lassen, als sie so unkontrolliert umherstreichen und ihre Intrigen, für die sie eine besondere Anlage zu haben schienen, frei betreiben zu lassen.
    Als K. an Momus vorüberkam, tat dieser als erkenne er erst jetzt in ihm den Landvermesser. »Ah der Herr Landvermesser!« sagte er, »der welcher sich so ungern verhören läßt, drängt sich zum Verhör. Bei mir wäre es damals einfacher gewesen. Nun freilich, es ist schwer, die richtigen Verhöre auszuwählen.« Als K. auf diese Ansprache hin stehn bleiben wollte, sagte Momus: »Gehen Sie, gehen Sie! Damals hätte ich Ihre Antworten gebraucht, jetzt nicht.« Trotzdem sagte K., erregt durch des Momus› Benehmen: »Ihr denkt nur an Euch. Bloß des Amtes wegen antworte ich nicht, weder damals noch heute.« Momus sagte: »An wen sollen wir denn denken? Wer ist denn sonst noch hier? Gehen Sie!«
    Im Flur empfing sie ein Diener und führte sie den K. schon bekannten Weg über den Hof, dann durch das Tor und in den niedrigen ein wenig sich senkenden Gang. In den oberen Stockwerken wohnten offenbar nur die höheren Beamten, die Sekretäre dagegen wohnten an diesem Gang, auch Erlanger, trotzdem er einer ihrer obersten war. Der Diener löschte seine Laterne aus, denn hier war helle elektrische Beleuchtung. Alles war hier klein aber zierlich gebaut. Der Raum war möglichst ausgenützt. Der Gang genügte knapp, aufrecht in ihm zu gehn. An den Seiten war eine Tür fast neben der andern. Die Seitenwände reichten nicht bis zur Decke; dies war wahrscheinlich aus Ventilationsrücksichten, denn die Zimmerchen hatten wohl hier in dem tiefen kellerartigen Gang keine Fenster. Der Nachteil dieser nicht ganz schließenden Wände war die Unruhe im Gang und notwendiger Weise auch in den Zimmern. Viele Zimmer schienen besetzt zu sein, in den meisten war man noch wach, man hörte Stimmen, Hammerschläge, Gläserklingen. Doch hatte man nicht den Eindruck besonderer Lustigkeit. Die Stimmen waren gedämpft, man verstand kaum hie und da ein Wort, es schienen auch nicht Unterhaltungen zu sein, wahrscheinlich diktierte nur jemand etwas oder las etwas vor, gerade aus den Zimmern, aus denen der Klang von Gläsern und Tellern kam, hörte man kein Wort und die Hammerschläge erinnerten K. daran, was ihm irgendwo erzählt worden war, daß manche Beamte, um sich von der fortwährenden geistigen Anstrengung zu erholen, sich zeitweilig mit Tischlerei, Feinmechanik u. dgl. beschäftigen. Der Gang selbst war leer, nur vor einer Tür saß ein bleicher schmaler großer Herr im Pelz, unter dem die Nachtwäsche hervorsah, wahrscheinlich war es ihm im Zimmer zu dumpf geworden, so hatte er sich hinausgesetzt und las dort eine

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