Das Schloß
Lust und ging also durch den Nachbargarten, aber auch vor ihm verbergen wollte ich mich nicht, sondern ging dann auf der Straße frei auf ihn zu, mit einer sehr biegsamen Weidenrute, wie ich gestehe. Das ist alles, darüber ist also weiter nichts zu sagen, wohl aber über etwas anderes. Wie verhält es sich denn mit den Gehilfen, die zu erwähnen mir fast so widerlich ist wie Dir die Erwähnung jener Familie? Vergleiche Dein Verhältnis zu ihnen damit, wie ich mich zu der Familie verhalte. Ich verstehe Deinen Widerwillen gegenüber der Familie und kann ihn teilen. Nur um der Sache willen gehe ich zu ihnen, fast scheint es mir manchmal, daß ich ihnen Unrecht tue, sie ausnütze. Du und die Gehilfen dagegen. Du hast gar nicht in Abrede gestellt, daß sie Dich verfolgen und hast eingestanden, daß es Dich zu ihnen zieht. Ich war Dir nicht böse deshalb, habe eingesehn, daß hier Kräfte im Spiel sind, denen Du nicht gewachsen bist, war schon glücklich darüber, daß Du Dich wenigstens wehrst, habe geholfen Dich zu verteidigen und nur weil ich paar Stunden darin nachgelassen habe, im Vertrauen auf Deine Treue, allerdings auch in der Hoffnung daß das Haus unweigerlich verschlossen ist und die Gehilfen endgiltig in die Flucht geschlagen sind – ich unterschätze sie noch immer, fürchte ich – nur weil ich paar Stunden darin nachgelassen habe und jener Jeremias, genau betrachtet ein nicht sehr gesunder, ältlicher Bursche, die Keckheit gehabt hat, ans Fenster zu treten, nur deshalb soll ich Dich, Frieda, verlieren und als Begrüßung zu hören bekommen: ‚Es wird keine Hochzeit geben.› Wäre ich es nicht eigentlich der Vorwürfe machen dürfte und ich mache sie nicht, mache sie noch immer nicht.« Und wieder schien es K. gut, Frieda ein wenig abzulenken und er bat sie ihm etwas zum Essen zu bringen, weil er schon seit Mittag nichts gegessen habe. Frieda, offenbar auch durch die Bitte erleichtert, nickte und lief etwas zu holen, nicht den Gang weiter wo K. die Küche vermutete, sondern seitlich paar Stufen abwärts. Sie brachte bald einen Teller mit Aufschnitt und eine Flasche Wein, aber es waren wohl nur schon die Reste einer Mahlzeit, flüchtig waren die einzelnen Stücke neu ausgebreitet um es unkenntlich zu machen, sogar Wurstschalen waren dort vergessen und die Flasche war zu dreivierteln geleert. Doch sagte K. nichts darüber und machte sich mit gutem Appetit ans Essen. »Du warst in der Küche?« fragte er. »Nein, in meinem Zimmer«, sagte sie, »ich habe hier unten ein Zimmer.« »Hättest Du mich doch mitgenommen«, sagte K., »ich werde hinuntergehn, um mich zum Essen ein wenig zu setzen.« »Ich werde Dir einen Sessel bringen«, sagte Frieda und war schon auf dem Weg. »Danke«, sagte K. und hielt sie zurück, »ich werde weder hinuntergehn noch brauche ich mehr einen Sessel.« Frieda ertrug trotzig seinen Griff, hatte den Kopf tief geneigt und biß die Lippen. »Nun ja, er ist unten«, sagte sie, »hast Du es anders erwartet? Er liegt in meinem Bett, er hat sich draußen verkühlt, er fröstelt, er hat kaum gegessen. Im Grunde ist alles Deine Schuld, hättest Du die Gehilfen nicht verjagt und wärst jenen Leuten nicht nachgelaufen, wir könnten jetzt friedlich in der Schule sitzen. Nur Du hast unser Glück zerstört. Glaubst Du, daß Jeremias, solange er im Dienst war, es gewagt hätte mich zu entführen? Dann verkennst du die hiesige Ordnung ganz und gar. Er wollte zu mir, er hat sich gequält, er hat auf mich gelauert, das war aber nur ein Spiel, so wie ein hungriger Hund spielt und es doch nicht wagt auf den Tisch zu springen. Und ebenso ich. Es zog mich zu ihm, er ist mein Spielkamerad aus der Kinderzeit – wir spielten miteinander auf dem Abhang des Schloßberges, schöne Zeiten, Du hast mich niemals nach meiner Vergangenheit gefragt – doch das alles war nicht entscheidend, solange Jeremias durch den Dienst gehalten war, denn ich kannte ja meine Pflicht als Deine künftige Frau. Dann aber vertriebst Du die Gehilfen und rühmst Dich noch dessen, als hättest Du damit etwas für mich getan, nun in einem gewissen Sinn ist es wahr. Bei Artur gelang Deine Absicht, allerdings nur vorläufig, er ist zart, er hat nicht die keine Schwierigkeit fürchtende Leidenschaft des Jeremias, auch hast Du ihn ja durch den Faustschlag in der Nacht – jener Schlag war auch gegen unser Glück geführt – nahezu zerstört, er flüchtete ins Schloß um zu klagen und wenn er auch bald wieder kommen wird, immerhin
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