Das Schloß
hatte Ehrgeiz, er keinen, sie war empfindlich, er nicht, sie dachte nur an die gegenwärtigen kleinen Abscheulichkeiten, er aber an Barnabas und die Zukunft. Frieda folgte allen seinen Anordnungen genau, ließ kaum die Augen von ihm. Kaum war er vorgetreten rief die Lehrerin unter dem Gelächter der Kinder, das von jetzt ab überhaupt nicht mehr aufhörte: »Na, ausgeschlafen?« und als K. darauf nicht achtete, weil es doch keine eigentliche Frage war, sondern auf den Waschtisch losging, fragte die Lehrerin: »Was haben Sie denn meiner Mieze gemacht?« Eine große alte fleischige Katze lag träg ausgebreitet auf dem Tisch und die Lehrerin untersuchte ihre offenbar ein wenig verletzte Pfote. Frieda hatte also doch Recht gehabt, diese Katze war zwar nicht auf sie gesprungen, denn springen konnte sie wohl nicht mehr, aber über sie hinweggekrochen, war über die Anwesenheit von Menschen in dem sonst leeren Hause erschrocken, hatte sich eilig versteckt und bei dieser ihr ungewohnten Eile sich verletzt. K. suchte es der Lehrerin ruhig zu erklären, diese aber faßte nur das Ergebnis auf und sagte: »Nun ja, Ihr habt sie verletzt, damit habt Ihr Euch hier eingeführt. Sehen Sie doch« und sie rief K. auf das Katheder, zeigte ihm die Pfote und ehe er sich dessen versah, hatte sie ihm mit den Krallen einen Strich über den Handrücken gemacht; die Krallen waren zwar schon stumpf, aber die Lehrerin hatte, diesmal ohne Rücksicht auf die Katze, sie so fest eingedrückt, daß es doch blutige Striemen wurden. »Und jetzt gehn Sie an Ihre Arbeit«, sagte sie ungeduldig und beugte sich wieder zur Katze hinab. Frieda, welche mit den Gehilfen hinter dem Barren zugesehen hatte, schrie beim Anblick des Blutes auf. K. zeigte die Hand den Kindern und sagte: »Seht, das hat mir eine böse hinterlistige Katze gemacht.« Er sagte es freilich nicht der Kinder wegen, deren Geschrei und Gelächter schon so selbstständig geworden war, daß es keines weiteren Anlasses oder Anreizes bedurfte und daß kein Wort es durchdringen oder beeinflussen konnte. Da aber auch die Lehrerin nur durch einen kurzen Seitenblick die Beleidigung beantwortete und sonst mit der Katze beschäftigt blieb, die erste Wut also durch die blutige Bestrafung befriedigt schien, rief K. Frieda und die Gehilfen und die Arbeit begann.
Als K. den Eimer mit dem Schmutzwasser hinausgetragen, frisches Wasser gebracht hatte und nun das Schulzimmer auszukehren begann, trat ein etwa zwölfjähriger Junge aus einer Bank, berührte K.’s Hand und sagte etwas im großen Lärm gänzlich Unverständliches. Da hörte plötzlich aller Lärm auf. K. wandte sich um. Das den ganzen Morgen über gefürchtete war geschehn. In der Tür stand der Lehrer, mit jeder Hand hielt er, der kleine Mann, einen der Gehilfen beim Kragen. Er hatte sie wohl beim Holzholen abgefangen, denn mit mächtiger Stimme rief er und legte nach jedem Wort eine Pause ein: »Wer hat es gewagt in den Holzschupfen einzubrechen? Wo ist der Kerl, daß ich ihn zermalme?« Da erhob sich Frieda vom Boden, den sie zu Füßen der Lehrerin reinzuwaschen sich abmühte, sah nach K. hin, so als wolle sie sich Kraft holen, und sagte, wobei etwas von ihrer alten Überlegenheit in Blick und Haltung war: »Das habe ich getan, Herr Lehrer. Ich wußte mir keine andere Hilfe. Sollten früh die Schulzimmer geheizt sein, mußte man den Schupfen öffnen, in der Nacht den Schlüssel von Ihnen holen wagte ich nicht, mein Bräutigam war im Herrenhof, es war möglich daß er die Nacht über dort blieb, so mußte ich mich allein entscheiden. Habe ich Unrecht getan, verzeihen Sie es meiner Unerfahrenheit, ich bin schon von meinem Bräutigam genug ausgezankt worden, als er sah, was geschehen war. Ja er verbot mir sogar früh einzuheizen, weil er glaubte, daß Sie durch Versperrung des Schupfens gezeigt hätten, daß Sie nicht früher geheizt haben wollten, als bis Sie selbst kämen. Daß nicht geheizt ist, ist also seine Schuld, daß aber der Schupfen erbrochen wurde, meine.« »Wer hat die Tür erbrochen?« fragte der Lehrer die Gehilfen, die noch immer vergeblich seinen Griff abzuschütteln versuchten. »Der Herr«, sagten beide und zeigten, damit kein Zweifel sei, auf K. Frieda lachte und dieses Lachen schien noch beweisender als ihre Worte, dann begann sie den Lappen, mit dem sie den Boden gewaschen hatte, in den Eimer auszuwinden, so als sei durch ihre Erklärung der Zwischenfall beendet und die Aussage der Gehilfen nur ein nachträglicher
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