Das Schloß
wäre. Diese Barrieren darfst Du Dir auch nicht als eine bestimmte Grenze vorstellen, darauf macht mich auch Barnabas immer wieder aufmerksam. Barrieren sind auch in den Kanzleien, in die er geht, es gibt also auch Barrieren die er passiert und sie sehn nicht anders aus, als die, über die er noch nicht hinweggekommen ist und es ist auch deshalb nicht von vornherein anzunehmen, daß sich hinter diesen letzteren Barrieren wesentlich andere Kanzleien befinden, als jene in denen Barnabas schon war. Nur eben in jenen trüben Stunden glaubt man das. Und dann geht der Zweifel weiter, man kann sich gar nicht wehren. Barnabas spricht mit Beamten, Barnabas bekommt Botschaften. Aber was für Beamte, was für Botschaften sind es. Jetzt ist er, wie er sagt, Klamm zugeteilt und bekommt von ihm persönlich die Aufträge. Nun, das wäre doch sehr viel, selbst höhere Diener gelangen nicht so weit, es wäre fast zu viel, das ist das Beängstigende. Denk nur, unmittelbar Klamm zugeteilt sein, mit ihm von Mund zu Mund sprechen. Aber es ist doch so? Nun ja, es ist so, aber warum zweifelt dann Barnabas daran daß der Beamte, der dort als Klamm bezeichnet wird, wirklich Klamm ist?« »Olga«, sagte K., »Du willst doch nicht scherzen; wie kann über Klamms Aussehen ein Zweifel bestehn, es ist doch bekannt wie er aussieht, ich selbst habe ihn gesehn.« »Gewiß nicht, K.«, sagte Olga, »Scherze sind es nicht, sondern meine allerernstesten Sorgen. Doch erzähle ich es Dir auch nicht, um mein Herz zu erleichtern und Deines etwa zu beschweren, sondern weil Du nach Barnabas fragtest, Amalia mir den Auftrag gab zu erzählen, und weil ich glaube daß es auch für Dich nützlich ist, genaueres zu wissen. Auch wegen Barnabas tue ich es, damit Du nicht allzugroße Hoffnungen auf ihn setzest, er Dich nicht enttäuscht und dann selbst unter Deiner Enttäuschung leidet. Er ist sehr empfindlich, er hat z.B. heute nacht nicht geschlafen, weil Du gestern abend mit ihm unzufrieden warst, Du sollst gesagt haben, daß es sehr schlimm für Dich ist, daß Du ‚nur einen solchen Boten› wie Barnabas hast. Diese Worte haben ihn um den Schlaf gebracht, Du selbst wirst wohl von seiner Aufregung nicht viel bemerkt haben, Schloßboten müssen sich sehr beherrschen. Aber er hat es nicht leicht, selbst mit Dir nicht. Du verlangst ja in Deinem Sinn gewiß nicht zu viel von ihm, Du hast bestimmte Vorstellungen vom Botendienst mitgebracht und nach ihnen bemißt Du Deine Anforderungen. Aber im Schloß hat man andere Vorstellungen vom Botendienst, sie lassen sich mit Deinen nicht vereinen, selbst wenn sich Barnabas gänzlich dem Dienst opfern würde, wozu er leider manchmal bereit scheint. Man müßte sich ja fügen, dürfte nichts dagegen sagen, wäre nur nicht die Frage, ob es wirklich Botendienst ist was er tut. Dir gegenüber darf er natürlich keinen Zweifel darüber aussprechen, es hieße für ihn seine eigene Existenz untergraben wenn er das täte, Gesetze grob verletzen, unter denen er ja noch zu stehen glaubt, und selbst mir gegenüber spricht er nicht frei, abschmeicheln, abküssen muß ich ihm seine Zweifel und selbst dann wehrt er sich noch zuzugeben, daß die Zweifel Zweifel sind. Er hat etwas von Amalia im Blut. Und alles sagt er mir gewiß nicht, trotzdem ich seine einzige Vertraute bin. Aber über Klamm sprechen wir manchmal, ich habe Klamm noch nicht gesehn, Du weißt, Frieda liebt mich wenig und hätte mir den Anblick nie gegönnt, aber natürlich ist sein Aussehn im Dorf gut bekannt, einzelne haben ihn gesehn, alle von ihm gehört und es hat sich aus dem Augenschein, aus Gerüchten und auch manchen fälschenden Nebenabsichten ein Bild Klamms ausgebildet, das wohl in den Grundzügen stimmt. Aber nur in den Grundzügen. Sonst ist es veränderlich und vielleicht nicht einmal so veränderlich wie Klamms wirkliches Aussehn. Er soll ganz anders aussehn, wenn er ins Dorf kommt und anders wenn er es verläßt, anders ehe er Bier getrunken hat, anders nachher, anders im Wachen, anders im Schlafen, anders allein, anders im Gespräch und, was hienach verständlich ist, fast grundverschieden oben im Schloß. Und es sind schon selbst innerhalb des Dorfes ziemlich große Unterschiede, die berichtet werden, Unterschiede der Größe, der Haltung, der Dicke, des Bartes, nur hinsichtlich des Kleides sind die Berichte glücklicherweise einheitlich, er trägt immer das gleiche Kleid, ein schwarzes Jackettkleid mit langen Schößen. Nun gehn natürlich alle diese
Weitere Kostenlose Bücher