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Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Titel: Das Schmetterlingsmädchen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Moriarty
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gegangen war, hatte sie die Aufführung wirklich genossen, wie sie später den verschreckten Damen in ihrem Zirkel versichern würde, von denen damals, 1958, viele weit jünger als sie selbst waren. Eine integrierte Theke in einem Imbiss, sagte Cora, war nicht das Ende der Welt, und integrierte Schulen und Theater würden auch nicht das Ende sein. Es wäre in Ordnung, versicherte sie ihren Freundinnen und dachte an jenen Abend in New York. Völlig in Ordnung.
    Diese Einsicht würde sie ihrer Zeit in New York und mehr noch Louise verdanken. Das kann dabei herauskommen, wenn man mit jungen Leuten zusammenkommt – es ist der Lohn für viele Mühen. Junge Menschen können natürlich anstrengend sein und erschreckend und gönnerhaft und beleidigend, und sie können mit ihren rauen Ecken und Kanten verletzend sein. Aber sie können einen auch, noch während man schimpft und protestiert und sich zurückziehen will, direkt zum Fenster der Zukunft ziehen und vielleicht sogar hindurchschubsen.
    Sie las die Postkarte am nächsten Nachmittag, als Louise im Bad war. Sie hatte nie in den Zimmern ihrer Söhne herumgestöbert, auch wenn die Versuchung noch so groß gewesen war, und sie hatte sich angewöhnt, nicht in Alans Sachen zu kramen. Aber Louises Postkarte war vom Schreibtisch auf den Wohnzimmerboden gefallen, und als Cora, die gerade kehrte, sich bückte, um sie aufzuheben, fiel ihr Blick auf ihren eigenen Namen in Louises kompakter, aber gut leserlicher Schrift.
    … Cora Carlisle ist so eine Trantüte und das totale Landei. Und sie hat einen reichen, gut aussehenden Mann, was absolut unbegreiflich ist. Ich wünschte, sie würde in den Hudson fallen oder von einem Bus überfahren werden oder sonst was, aber jeden Tag …
    Cora legte die Postkarte mit der beschriebenen Seite nach unten zurück, sodass sie die Vorderseite sehen konnte, ein Bild von Charlie Chaplin. Sie betrachtete die gelben Wände und das Bild mit der Siamkatze. Was dort stand, berührte sie nicht. Es ging ihr gut. Es interessierte sie nicht, was eine versnobte Fünfzehnjährige von ihr hielt. Außerdem hätte sie das sowieso nicht lesen sollen, nicht einmal diese kurze Stelle. Sie verschränkte die Arme und starrte die Postkarte an. Hatte Louise sie ihrer Mutter geschrieben? Der Gedanke, dass Louise solche Gemeinheiten an Myra schrieb, war unerträglich. Cora umkreiste einmal den Tisch und dann noch einmal, ehe sie nach der Karte griff.
    Theo, mein Schatz,
    Cora legte die Karte wieder hin. Theo war der Bruder. Nicht der ältere, mit dem Louise gestritten hatte, sondern der jüngere, der allein Badminton spielen wollte. Es war egal. Wenn Louise dasselbe an Myra geschrieben hätte, na wenn schon? Na wenn schon. Sie würde die anderen Postkarten nicht anschauen. Es kümmerte sie nicht. Sie entfernte sich vom Tisch.
    Sie ging in die Küche und goss sich ein Glas Milch ein. Während sie es langsam austrank, lauschte sie auf das stetige Tropfen des schmelzenden Eises im Kühlschrank. Auf der anderen Seite der Wand lief Wasser aus der Wanne ab, und sie konnte hören, wie Louise eine langsame Version von Ain’t We Got Fun? summte. Sie stellte das Glas ab und trommelte mit den Fingern auf die Herdplatte. Dass Louise sie als langweilig und provinziell bezeichnete, war keine Überraschung. Dasselbe sagte sie praktisch jedes Mal, wenn sie sich unterhielten, mit ihren Augen und ihrem Tonfall. Heuchelei konnte man ihr nicht unterstellen. Was wehtat, was Cora wie ein Schlag in die Brust traf, war die grausame, aber scharfsinnige Beobachtung des Mädchens über Alan, wie schlecht er und Cora zusammenzupassen schienen. Ein Jammer, dass Cora Louise nicht in dem Sommer, als sie und Alan heirateten, gekannt hatte, als sie vielleicht eine Bekannte mit einer derart brutalen Ehrlichkeit gebraucht hätte.
    Louise kam in einem rosa Morgenmantel in die Küche geschlendert, das Haar nass und glatt zurückgekämmt. Ihre Stirn war breit und hoch, stellte Cora fest, fast schon gewölbt. Ohne Stirnfransen war sie nicht so umwerfend. Sie sah immer noch jung und hübsch aus, aber nicht auffallend.
    »O mein Gott, das Bad war himmlisch.« Sie bewegte den Kopf hin und her. »Aber ich bin erst seit drei Minuten draußen und schwitze schon wieder. Hoffentlich ist das Theater heute Abend eisgekühlt.«
    Cora nickte und trank einen Schluck Milch.
    »Was ist denn?«
    »Nichts.« Cora sah sie an und lächelte. »Du hast recht. Heute scheint es noch wärmer zu sein.«
    Louise streckte mit einem

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