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Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Titel: Das Schmetterlingsmädchen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Moriarty
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weitermachte, und sie fühlte jedes Mal eine seltsame Leere in ihrem Inneren, wenn er mit einem leisen Stöhnen auf ihr zusammenbrach und es vorbei war. Aber was würde er denken, wenn sie das aussprach?
    Wenn er danach seinen Arm ausstreckte, um ihre Hand zu halten, fragte er sie, ob alles in Ordnung war, ob er ihr irgendwie wehgetan hatte, was sie nicht verstand. Sie war seine Frau. Und sie hatte ihm noch vor der Hochzeit erzählt, wie sehr sie sich ein Kind wünschte, dass sie nicht warten wollte, wie viel es ihr bedeuten würde, einen Menschen zu haben, sei es auch nur ein kleines Baby, in dessen Adern ihr Blut floss. Und ihr tat nichts weh. Dennoch, wenn er ihre Hand hielt und das, was sie von ihm brauchte, um ein Kind zu bekommen, bereits in ihr war, wäre sie am liebsten über das Bett zu ihm gekrochen, um ihre Hand an seine Seite zu legen und ihr Gesicht an die warme Haut seiner Brust zu pressen.
    Aber vielleicht hätte das seltsam gewirkt oder zu aufdringlich.
    »Cora? Liebling? Alles in Ordnung?«
    »Mir geht es gut«, sagte sie dann und drückte seine Hand, weil das alles war, was sie sagen konnte.
    Die Geburt der Zwillinge kostete sie beinahe das Leben. Der Termin war noch drei Wochen entfernt, als sie aufwachte, weil etwas, das sich wie eine Spitzhacke anfühlte, in ihrem Bauch tobte, und ihr Mund und ihre Kehle waren im ersten Moment so trocken, dass sie kein Wort herausbrachte. Als sie es schließlich schaffte, verschob sich die Spitzhacke und bohrte sich in ihre Seiten, aber Alan erschien im Pyjama in ihrer Zimmertür und starrte sie mit offenem Mund an.
    Später erzählte er ihr, dass sie, obwohl sie sich vor Schmerzen krümmte, so blass, ihr Mund so entfärbt war, als wäre sie tot.
    Zum Glück hatten sie ein Telefon. Die meisten Leute besaßen noch keines, und es sparte Zeit, was, wie der Arzt später sagte, entscheidend gewesen war – sie hätte verbluten können. Sowie Alan den Anruf getätigt hatte, kehrte er mit Wasser und einem feuchten Lappen zurück, den sie ihm aus der Hand riss und darauf herumkaute. Alles verschwamm vor ihren Augen und verdunkelte sich, aber sie konnte hören, wie er weinte und sie anflehte, nicht zu gehen. Das machte ihr Angst. Er küsste ihre Stirn, sodass sie die morgendlichen Bartstoppeln rau an ihrer Wange spürte, und wisperte, dass es ihm leidtäte. Er sagte es immer wieder. Sie war irritiert, obwohl die Spitzhacke sich immer tiefer in ihren Leib bohrte. Er hatte nichts falsch gemacht. Er hatte getan, was alle Ehemänner machten. Es war nicht seine Schuld, dass irgendetwas in ihrem Körper furchtbar schiefging. Es war ihre eigene defekte Maschinerie, vermutlich schon seit ihrer Geburt defekt. Kinder zur Welt zu bringen war Evas Fluch, eine erträgliche Qual für alle Frauen, aber bei ihr war es anders.
    Als der Arzt kam, fragte er Cora, ob ihre Mutter an Toxämie gelitten hatte. Oder eine Schwester? Vielleicht eine Tante? Hatte eine von ihnen je Probleme bei der Niederkunft gehabt? Blutgerinnsel?
    Sie klammerte sich so fest an Alans Hand, dass sich ihre Nägel in seine Haut bohrten.
    »Sie weiß es nicht«, antwortete er dem Arzt. »Quälen Sie sie nicht mit diesen Fragen«, fügte er nachdrücklicher hinzu.
    Sie würde nie begreifen, wie sie es überlebt hatte, wie sie presste, obwohl sie kaum atmen konnte, weil der Arzt und die Krankenschwester sie drängten, obwohl sie ihnen von der Spitzhacke erzählte, obwohl sie schrie und sie anflehte, etwas gegen die Schmerzen zu tun. Es war die Plazenta, sagte der Arzt zu ihr. Sie löste sich zu schnell, und sie mussten die Babies herausholen. Er konnte kein Chloroform benutzen. Er brauchte ihre Hilfe, damit sie presste und die Babies und auch sich selbst rettete.
    Alan wurde aus dem Zimmer verbannt. Sie wusste nicht, dass er gegangen war oder wie lange er weg war. Später erzählte er Cora, dass er Howards ersten herzhaften Schrei im Salon hörte, als er auf dem Boden kniete, die Stirn an die Armlehne des Sofas gepresst. Auch Cora hörte Howards ersten Schrei, aber nicht den von Earle – als er entbunden wurde, verlor sie immer mehr Blut und war nicht immer bei Bewusstsein. Auch als sie wieder etwas wahrnahm, konnte sie ihre Arme und Beine nicht bewegen, nicht einmal spüren. Aber auch die Spitzhacke war nicht mehr zu spüren, und sie war matt und wollte schlafen, obwohl ihr Durst immer noch nicht gestillt war, obwohl sie gerade den ersten Schrei ihres Kindes gehört hatte. Sie war so müde und hatte solche Angst vor

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