Das Schneemädchen (German Edition)
Geklapper verschaffte ihr einige Befriedigung, und ihr Zorn verrauchte ganz, als sie sah, dass Jack im Sessel neben dem Ofen längst eingeschlafen war. Sie war mit ihrem vergeblichen Geklapper allein.
Sie bedeckte ihre Hände mit der Schürze, nahm die Schüssel mit dem schmutzigen Spülwasser, schob mit dem Ellenbogen den Türriegel auf und trat hinaus. Sie ging über den eisglatten Hof und schüttete das Wasser in eine schmale Rinne hinter dem Haus. Dampf hüllte sie ein und löste sich langsam auf. Über ihr glitzerten metallisch die fernen Sterne, und der Nachthimmel kam ihr grausam vor. Die kalte Luft füllte ihre Nase und kühlte ihre Haut. Hier beim Haus war die Luft still, aber sie konnte den Wind unten am Fluss heulen hören.
Es vergingen ein paar Tage, ehe Jack die Bensons wieder erwähnte, und er schnitt das Thema an, als befänden sie sich mitten in einem Gespräch.
«George meint, wir sollen an Erntedank gegen Mittag vorbeikommen. Ich habe ihm gesagt, du backst einen Kuchen. Er vermisst deine Kuchen drüben im Hotel.»
Mabel sagte weder ja noch nein und stellte auch keine Fragen. Sie wunderte sich, wie Jack sicher sein konnte, dass sie ihn überhaupt gehört hatte.
Während sie in der Schachtel mit ihren Rezepten kramte und versuchte zu entscheiden, was sie backen sollte, dachte sie an die Erntedankfeiern im Allegheny River Valley, wo Jacks Tanten, Onkel, Vettern und Cousinen, Großeltern und Enkelkinder, Freunde und Nachbarn sich zum Feiern auf der Farm der Familie eingefunden hatten. Solche Tage waren für Mabel die allerschlimmsten gewesen. Schon als Kind hatte sie sich unter vielen Menschen unbehaglich gefühlt, und mit dem Älterwerden fand sie das Geplauder und die neugierigen Fragen erst recht unerträglich. Während die Männer über die Obstwiese schlenderten und Geschäftliches besprachen, war sie im Frauenreich voll Geburt und Tod gefangen, und beides schien ihr als Thema für belangloses Geschwätz nicht geeignet. Unmittelbar unter der Oberfläche dieses Geplauders lauerte außerdem die Anspielung auf ihr Versagen, getuschelt und abgebrochen, wenn sie Zimmer betrat und verließ. Vielleicht, so wurde geflüstert, vielleicht hätte Jack sich eine robustere Frau suchen sollen, eine, die schwere Arbeit nicht scheute, eine mit gebärfreudigem Becken. Diese hochgestochenen Damen konnten vielleicht über Politik und hohe Literatur diskutieren, aber konnten sie um Himmels willen ein Kind gebären? Seht ihr ihre Haltung? Höher könnte sie ihre Nase nicht tragen. Dieser stocksteife Rücken! Eine ach so zarte Konstitution. Zu stolz, um ein Waisenkind anzunehmen.
Mabel entschuldigte sich dann, um draußen frische Luft zu schnappen, doch das erregte nur die Aufmerksamkeit einer neugierigen Großtante oder wohlmeinenden Schwägerin, die ihr riet, wenn sie nur entgegenkommender, freundlicher wäre, dann würde sie sich vielleicht besser mit Jacks Verwandtschaft verstehen.
Vielleicht würde es mit den Bensons genauso sein. Vielleicht würden sie feststellen, dass sie nicht dafür geeignet war, als Siedlerin in Alaska zu überleben. Würden sie aburteilen als unfruchtbar, kalt und eine Last für Jack. Schon bildete sich tiefe Abneigung in ihr. Sie erwog, Jack zu sagen, sie sei zu krank, um hinzugehen. Doch am Morgen des Erntedanktages stand sie früh auf, lange vor Jack, legte mehr Holz in den Ofen und rollte den Teig aus. Sie wollte einen Walnusskuchen nach dem Rezept ihrer Mutter backen und einen Kuchen aus getrockneten Äpfeln. War das genug, zwei Kuchen? Sie hatte gesehen, wie die Jungs futterten, wie sie ihre Teller mit großen Bissen im Nu leerten. Vielleicht buk sie besser drei? Was, wenn die Krusten pappig wurden oder die Bensons keine Walnüsse oder Äpfel mochten? Es sollte ihr einerlei sein, was die Bensons dachten. Und doch, mit den Kuchen repräsentierte sie sich selbst. Sie mochte schroff und undankbar sein, aber weiß Gott, backen konnte sie.
Als die Kuchen im Holzbackofen waren, wählte Mabel ein dunkles Baumwollkleid, von dem sie hoffte, dass es angemessen war. Sie erhitzte das Bügeleisen auf dem Ofen. Sie wollte annehmbar aussehen, aber nicht wie eine übertrieben elegante Fremde. Als sie fertig war und die Kuchen aus dem Ofen genommen hatte, suchte sie Wolldecken und Gesichtsschutz für sich und Jack zusammen. Sie hatten eine lange, kalte Fahrt im offenen Wagen vor sich.
Nachdem Jack die Tiere gefüttert und getränkt und das Pferd angeschirrt hatte, setzte Mabel sich neben ihn
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