Das Schneemädchen (German Edition)
ihm fehle, hatte er etwas von dem Pferd gemurmelt und dass es ihm gutgehe. Und als sie anfing, ihn zu bemuttern, hatte er abgewunken. Lass mich, hatte er gesagt. Lass mich einfach.
Mabel brachte ihm übriggebliebene Kekse und ein hartgekochtes Ei zum Frühstück.
«George Benson kommt nachher mit seinen Jungs vorbei, um mir beim Schleppen der Stämme zu helfen», sagte er, während er das Ei pellte. Ihren erstaunten Blick bemerkte er offenbar nicht.
«George Benson?», fragte sie. «Und wer ist George Benson?»
«Hmm? Was?»
«Ich kenne den Mann nicht.»
«Ich hab dir schon mal von ihm erzählt.» Er nahm einen Bissen Ei und sagte mit halbvollem Mund: «Du weißt doch, er und Esther wohnen flussabwärts gleich hinter der Stadt.»
«Nein. Wusste ich nicht.»
«Sie werden in ein paar Stunden hier sein. Kümmere dich nicht ums Mittagessen – wir arbeiten durch. Aber rechne mit drei zusätzlichen Tellern beim Abendessen.»
«Ich dachte … Waren wir uns nicht einig … Warum kommen die her?»
Jack schwieg, dann stand er vom Tisch auf und griff nach seinen Lederstiefeln vor der Tür. Er setzte sich wieder hin, zog die Stiefel an und schnürte sie mit raschen, entschlossenen Bewegungen zu.
«Was soll ich sagen, Mabel? Ich bin auf Hilfe angewiesen.» Er hielt den Kopf gesenkt und zog die Schnürsenkel straff. «So einfach ist das.» Er nahm seinen Mantel vom Haken und knöpfte ihn beim Hinausgehen zu, als könne er es nicht erwarten, das Zimmer zu verlassen.
George Benson traf mit zweien seiner Söhne etwa eine Stunde später ein. Der ältere Junge mochte achtzehn oder zwanzig sein, der jüngere nicht viel älter als dreizehn oder vierzehn. Mabel sah durch das Fenster, wie sie und Jack sich am Stall trafen. Sie begrüßten sich rundum mit Handschlag, Jack nickte und grinste dabei. Die Männer beluden sich mit Werkzeug und führten das Pferdegespann, das die Bensons mitgebracht hatten, in Richtung Feld. Sie kamen nicht ins Haus. Mabel wartete darauf, dass Jack zu ihr herübersah, ihr zuwinkte wie sonst manchmal morgens, aber er tat es nicht.
Es wurde Abend, Mabel zündete die Lampen an und bereitete das Essen zu. Wenn die Männer von der Arbeit hereinkämen, wollte sie sich bemühen, freundlich, aber nicht übertrieben zuvorkommend zu sein. Sie wollte so etwas nicht fördern. Jack mochte an diesem Tag ausnahmsweise Hilfe benötigt haben, aber Freunde oder Nachbarn brauchten sie nicht. Wenn doch, wozu waren sie dann hierhergekommen? Sie hätten zu Hause bleiben können, wo es wahrlich genug Leute gab. Nein, der Sinn der Sache war gewesen, zu zweit ein wenig Trost zu finden. Hatte Jack das nicht begriffen?
Als die Männer zurückkamen, würdigten sie Mabel kaum eines Blickes. Sie waren nicht ungehobelt. George Benson und seine Jungs nickten höflich und sagten Danke und Ma’am und Reichen Sie mir bitte die Kartoffeln, aber ohne Mabel dabei richtig anzusehen. Vor allem unterhielten sie sich laut über die Arbeit, die Pferde, das Wetter und die Ernte. Sie scherzten über kaputtes Werkzeug und die hirnverbrannte Idee, in dieser gottverlassenen Gegend zu siedeln, und George schlug sich aufs Knie und entschuldigte sich für seine rüde Ausdrucksweise, und Jack lachte laut auf, und die zwei Jungs stopften sich die Mäuler voll. Die ganze Zeit hielt sich Mabel an der Küchenanrichte auf, aus dem Schein der Öllampe heraus.
Sie hatten Partner sein wollen, sie und Jack. Dies hatte ihr neues gemeinsames Leben sein sollen. Jetzt saß er lachend mit Fremden zusammen, während er sie, Mabel, seit Jahren nicht angelächelt hatte.
Nach dem Abendessen zog George seine müden Jungs von den Stühlen und verkündete, es sei Zeit, nach Hause zu gehen.
«Eure Mutter wird sich fragen, wo zum Teufel wir stecken, verdammt noch mal», sagte er und nickte Mabel zu. «Vielen Dank für das gute Essen. Hören Sie, ich habe Jack gesagt, Sie beide müssen uns besuchen. Esther möchte Sie gern kennenlernen. Die meisten Siedler hier in der Gegend sind schmuddelige alte Junggesellen. Ein bisschen weibliche Gesellschaft würde ihr ganz gut tun.»
Sie hätte sich bei ihnen für die Hilfe bedanken und sagen sollen, sie werde nächstens vorbeikommen, um seine Frau kennenzulernen, aber sie sagte nichts. Sie konnte sich durch die Augen dieser Männer sehen – eine verklemmte Frau aus dem Osten. Ihr gefiel nicht, was sie sah.
Sobald George und seine Jungs gegangen waren, machte sie auf dem Ofen Wasser heiß und spülte die Teller; das
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