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Das Schneemädchen (German Edition)

Das Schneemädchen (German Edition)

Titel: Das Schneemädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eowyn Ivey
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heraushängender Zunge, galoppierte Fainas Husky.
    Nahe dem Blockhaus zügelte Garrett das Pferd und sprang ab, bevor es zum Stehen gekommen war. Er schlang einen Führstrick locker um eine Pappel, wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und steuerte zu Mabels Überraschung direkt auf sie zu.
    «Wo sind die Blumen?», flüsterte er. Mabel runzelte verwirrt die Stirn.
    «Der Kranz?» Nun fiel es ihr wieder ein, und sie zeigte zum Tisch, wo die zum Kreis gewundenen Weidenröschen, Farne und Rosen lagen.
    «Danke», sagte Garrett und küsste sie auf die Wange.
    Neugierig sah sie zu, wie er den Kranz nahm und sich mit der freien Hand seitlich aufs Bein klopfte. Fainas Hund lief zu ihm hin. Garrett hob die Hand, und der Hund setzte sich. Er streifte dem Tier den Kranz über den Kopf und dann noch etwas wie einen kleinen Beutel an einer Schnur. Wieder hob er die Hand, und der Hund blieb am Platz, während Garrett zu der Hochzeitsgesellschaft ging.
    «Kein schlechter Auftritt», raunte Bill, als Garrett vor ihm stand.

    Endlich begann die Zeremonie. Mabel hielt sich an Jacks Arm fest, doch sie hatte das Gefühl, davonzutreiben, sich um sich selbst zu drehen. In der grellen Sonne verschwamm ihr alles vor Augen. Gleich würde sie ohnmächtig werden, war es vielleicht schon. Worte schwebten vorbei, und sie vermochte nicht zu sagen, ob sie laut ertönten oder nur in ihrem Kopf …
… Hoffnung ist das Federding … das in der Seele
schwingt    [4]  … lieben, achten und ehren … Willst du? … komm schnell … komm schnell … zum wüsten Wald    [5]  … keine Rosen mir zuhaupt    [6]  … Willst du? … bis dass der Tod euch scheide … bis dass der Tod …
Ja, ich will …
Ja, ich will …
Ja, ich will …
Ja, ich will …

    Ein Pfiff wie der Ruf einer Meise, und Fainas Hund, mit dem Wildblumenkranz um den Hals, trottete an Mabel vorbei, die wieder scharf sah. Sie klammerte sich an Jacks Arm. Faina hatte den Husky gerufen, der sich gehorsam der Braut zu Füßen setzte. Garrett lächelte stolz, kniete sich neben ihn und löste die Schnur von seinem Hals, öffnete den kleinen Beutel und ließ zwei goldene Ringe in seine Hand gleiten. Mabel hörte ein Kind in die Hände klatschen und Esther lachen.
    Dann vergingen alle Geräusche im Brausen des Flusses, und der Boden gab unter Mabel nach. Sie sah Garrett und Faina, einander zugewandt. Sie sah die goldenen Ringe in der Sonne aufblitzen, und dann küssten sie sich, und mit einem Mal brachen alle in Jubelrufe aus.

    «Ist alles in Ordnung mit dir, Mabel? Mabel?» Jack stand hinter ihr und hielt sie fest bei den Ellenbogen gepackt. «Komm, wir setzen uns an den Tisch. Es ist die Hitze. Die ist zu viel für dich.»
    Jemand brachte ihr ein Glas Wasser, und eine der jungen Frauen schwang einen Fächer vor ihrem Gesicht. Endlich konnte sie wieder atmen und einen klaren Gedanken fassen.
    «Faina? Wo ist unsere Faina?»
    «Da drüben.» Jack deutete zu einer großen Pappel, wo das Mädchen weiß und schimmernd neben Garrett stand.
    «Aber … schneit es?» Neben sich hörte sie ein Lachen.
    «Meine Güte, nein, Liebes.» Es war Esther. «Sind bloß Pappelsamen. Aber es sieht aus wie Schnee, nicht wahr?»
    Die Luft war von den weißen Daunen erfüllt. Manche segelten über die Bäume empor, andere trieben träge zu Boden. Faina sah durch das weiße Gestöber zu Mabel hin und hob die Hand, winkte ein wenig wie früher als Kind.
    «Sie sind verheiratet?», flüsterte Mabel.
    «Ja, das sind sie», sagte Jack.

Kapitel 53
    Die Nacht war kühl und fahlblau, und Faina lag nackt auf der gesteppten Hochzeitsdecke. Sie hatte sich zur Seite gedreht, die langen Beine quer von sich gestreckt, einen Arm unter dem Kopf, den anderen um die leichte Wölbung ihres Bauchs gelegt. Garrett schälte sich aus dem Jackett. Sein weißes, durchgeknöpftes Hemd war schweißverklebt, und seine Füße schmerzten von dem langen Tag in den eleganten Schuhen. Er zog sich ganz aus und ließ die Kleidungsstücke auf dem grob geschliffenen Dielenboden liegen. Auf dem Weg zum Bett strich er über das Hochzeitsgewand, das auf einen Stuhl geworfen lag wie die abgestreifte und fortgeschleuderte Haut eines großen wilden Vogels. Nach der Trauungszeremonie hatte es gegrillten Lachs, Kartoffelsalat und eine üppige Torte mit weißer Glasur und kandierten Rosenblüten gegeben; umgeben vom an- und abschwellenden Stimmengewirr und vom Sonnenlicht, das auf Gläsern mit selbstgemachtem Holunderwein

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