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Das Schneemädchen (German Edition)

Das Schneemädchen (German Edition)

Titel: Das Schneemädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eowyn Ivey
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zum Waschen.
    «Hast du die Spuren gesehen?», rief sie über die Schulter.
    «Was für Spuren?»
    Sie zeigte aus dem Fenster.
    «Die?», fragte er. «Muss ein Fuchs gewesen sein.»
    «Sind die Hühner in Sicherheit?»
    «Keine Sorge. Alles in Ordnung.»

    Jack nahm die Schrotflinte über der Tür herunter und sagte Mabel, er wolle dem Fuchs nachgehen. Ihm war jetzt klar, was ihn an den Fußspuren beunruhigte. Sie begannen bei dem Schneehaufen und verliefen nur in eine Richtung – fort, in den Wald. Es führten keine Abdrücke in den Hof.
    Die Spur schlängelte sich zwischen den Birken hindurch, über umgestürzte Baumstämme und um kahle, dornige Wildrosensträucher herum. Jack folgte den Schleifen und Windungen. Sie sahen nicht nach den Fußspuren eines verirrten Kindes aus. Mehr nach einem wilden Tier, einem Fuchs oder Hermelin. Sie wanden sich hierhin und dorthin, führten über den Schnee, kreisten zurück und herum, bis Jack sich nicht mehr sicher war, ob er noch der ursprünglichen Spur folgte. Wenn die Kleine sich verirrt hatte, warum war sie dann nicht an die Tür gekommen? Warum hatte sie nicht um Hilfe gebeten? Und die Abdrücke führten nicht am Fahrweg entlang nach Süden, zur Stadt und zu anderen Siedlungen. Sie verliefen vielmehr ohne bestimmte Richtung zwischen den Bäumen hindurch, aber als er über die Schulter zurückblickte und das Blockhaus nicht mehr sah, wurde ihm klar, dass die Spur sich nach Norden wand, hin zu den Bergen. Zu den Stiefelabdrücken gesellte sich hier und da eine andere Spur. Ein Fuchs hatte die Fußstapfen des Kindes mehrmals gekreuzt, sich dann davongemacht. Warum verfolgte ein Fuchs ein kleines Mädchen durch die Bäume? Jack sah von Zeit zu Zeit nach unten, dann zweifelte er an sich selbst. Vielleicht war das Mädchen dem Fuchs gefolgt. Vielleicht war die Spur deswegen so wirr.
    Er blieb bei einer umgestürzten Pappel stehen und lehnte sich an den dicken Stamm. Er musste von der Spur abgekommen sein. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es war kalt, die Luft trocken und still, und er war überhitzt. Hatte er nicht genau genug hingeschaut?
    Vielleicht war er die ganze Zeit Fuchsspuren gefolgt. Er wandte sich wieder den Abdrücken zu, ging neben ihnen in die Hocke, rechnete halbwegs damit, Pfoten- und Krallenspuren zu sehen. Aber nein, es waren immer noch die glatten, kindsgroßen Fußstapfen.
    Eine Weile noch folgte er der Spur, bis sie sich hinunterschlängelte in eine enge Schlucht und in einen dichten Schwarzfichtenwald. Durch diese Bäume konnte er sich nicht zwängen. Er war nun schon seit einiger Zeit unterwegs. Als er umkehrte, wurde er einen Augenblick von Panik gepackt – er hatte so konzentriert hinuntergesehen auf die Fußabdrücke, dass er kaum auf die Umgebung geachtet hatte. Bäume und Schnee sahen in allen Himmelsrichtungen vollkommen gleich aus. Dann fielen ihm seine eigenen Stiefelspuren im Schnee ein. Es würde ein langer, gewundener Weg nach Hause werden, aber seine Spuren würden ihn hinführen.
    Mabel stand ängstlich an der Tür, als er zurückkam. Sie wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und half ihm aus dem Mantel.
    «Ich habe mir schon Sorgen gemacht.»
    Jack wärmte sich die Hände am Ofen.
    «Und? Hast du den Fuchs gefunden?»
    «Nein, nur weitere Spuren, überall da draußen.»
    Er mochte ihr nichts von dem Kind oder dem toten Hasen vor der Haustür erzählen. Irgendwie glaubte er, dass es sie nur beunruhigen würde.

Kapitel 6
    Sorgenvoll betrachtete Mabel auf dem Rückweg vom Abort die Spuren im Schnee. Noch nie war ein Fuchs ihrem Blockhaus so nahe gekommen. Füchse waren kleine Tiere, dennoch machten sie ihr Angst. Sie stieg über die Spuren hinweg, und dabei fiel ihr deren glatte, längliche Form auf. Das waren gar keine Tierspuren. Es waren makellose Sohlenabdrücke von kleinen Stiefeln. Mabel hob den Kopf, und ihr Blick folgte der Spur zurück zu dem Schneekind, das sie und Jack am Abend zuvor gebaut hatten. Es war verschwunden.
    Atemlos lief sie ins Haus.
    «Jack? Jemand hat unser Schneekind zerstört. Jemand war in unserem Hof.»
    Er stand an der Anrichte, wo er sein Taschenmesser an einem Wetzstahl schärfte.
    «Ich weiß.»
    «Hast du nicht gesagt, es war ein Fuchs?»
    «Im Wald sind auch Fuchsspuren.»
    «Aber die da draußen?»
    «Von einem Kind.»
    «Woran erkennst du das?»
    «An der Größe der Abdrücke. Und ich bin ziemlich sicher, dass ich sie gesehen habe. Gestern Abend. Sie ist durch die Bäume

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