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Das schoenste Maedchen der Welt

Das schoenste Maedchen der Welt

Titel: Das schoenste Maedchen der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Hanns Roesler
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dem freundlichen Herrn gegenüber ins Gesicht.
    „Es macht nichts“, sagte dieser, bevor ich mich noch entschuldigen konnte, „es hätte auch nichts geholfen
    — es gibt nur ein Mittel gegen Schnupfen: ziehen Sie nasse Strümpfe an!“
    „Das nenne ich kühn behauptet und dumm dahergeschwätzt!“ mengte sich da ein Herr ins Gespräch, der bisher vornehm geschwiegen hatte. „Von nassen Füßen bekommt man ja gerade Schnupfen! Es gibt nur eines: pressen Sie mit beiden Zeigefingern fest die Nasenflügel zusammen. Das hilft sofort.“
    Ich tat, wie mir geraten.
    Jetzt nieste ich nicht nur, jetzt donnerte es aus allen Öffnungen. Der vornehme Herr schüttelte mißbilligend den Kopf.
    „Halten Sie die Luft an!“
    „Im Gegenteil! Atmen Sie heftig und tief!“
    Das ganze Abteil war ein Herz und eine Seele.
    Jeder gab mir einen anderen Rat.
    Jeder wußte ein anderes Mittel gegen Schnupfen.
    Nur einer saß schweigend im Abteil und tat, als ob ihn das alles gar nichts anginge. Das fiel mir auf. In meiner Not wandte ich mich an ihn und sagte:
    „Alle wissen ein Mittel gegen Schnupfen — warum raten Sie mir zu nichts?“
    Da lächelte der Herr leise und sagte:
    „Ich bin Arzt.“

Rinderbraten

    Pauline briet zwei Tauben. Denn Paul aß Täubchen für sein Leben gern und Pauline nicht minder. Und als Paul zum Essen heimkam, legte ihm Pauline das knusprigste Täubchen auf den Teller, holte die Kartoffeln aus der Küche und die Soße und das Gemüse und den Salat und das Kompott und legte alles Paul als gute Hausfrau auf den Teller rechts und links. Paul aß und spachtelte und knabberte und kiefelte inzwischen an seinem Täubchen herum, und als jetzt endlich auch Pauline dazukam, sich an den Tisch zu setzen und sich ihre Taube auf den Teller zu legen, da war Paul gerade mit seiner eigenen Taube zu Ende. Nachdenklich starrte er auf Paulines Teller und auf das noch runde Täubchen.
    „Eigentlich —“, begann er dann.
    „Nun?“
    „Eigentlich solltest du das nicht, Pauline.“
    „Was denn?“
    „Eigentlich ist das eine Sünde!“
    „Ja, was denn, Paul?“
    „Eigentlich wollte ich es dir aber erst nach dem Essen sagen —“
    „Was wolltest du mir denn sagen, Paul? So sprich doch!“
    Paul knuckste hin und her.
    „Ich war heute vormittag beim Metempsychologen “, sagte er dann.
    „Bei wem?“
    „Beim Metempsychologen , Pauline.“
    „Wer ist denn das?“
    „Den kennst du sowieso nicht, Pauline! Ich habe ihn zuvor auch nicht gekannt, aber ich wollte mich gern beraten lassen. Und da bin ich zu einem Metempsychologen gegangen. Der hat mir erzählt, daß der Mensch, wenn er stirbt, in ein Tier verwandelt wird, was zu seinem Charakter paßt. Und vorher, ehe der Mensch geboren wird, war er auch schon als Tier auf der Welt, und als Mensch hat er dann denselben Charakter wie das Tier, das er zuvor war. Und das Tier soll ihm darum heilig sein. Verstehst du das?“
    „Nicht ganz.“
    „Das ist doch ganz einfach, Pauline! Wer beispielsw^ise früher eine Biene war, der wird auch ein fleißiger Mensch, und nach dem Tode wird er wieder eine Biene. Aber ein Schwein kann kein Bademeister werden. Um aber ein anderes Beispiel zu nennen: da gibt es Männer, die rasieren sich nicht gerne, die können nichts dafür. Die waren früher ein Igel. Und nun wird doch ein Mensch, der weiß, daß er ein Igel oder eine Biene war, keinen Igel töten und auch keine Biene. Da ist ihm eben der Igel und die Biene heilig.“
    Pauline hatte Gabel und Messer weggelegt.
    „Und das hat dir der Mann alles gesagt?“
    „Noch viel mehr! Dem habe ich dich beschrieben, wie sanft du bist und wie zärtlich und wie treu und gutmütig — und da hat er gesagt, du wärst sicher früher eine Taube gewesen und du würdest auch wieder eine Taube.“
    „Hat er das gesagt?“
    „Ja. Das hat er gesagt“, nickte Paul, und schon hatte er mit kühnem Schwung Paulines Täubchen auf seinen Teller befördert, um es sogleich zu verspachteln, während er weiter brummte: „Da wäre es doch direkt eine Sünde, wenn du dieses Tier äßest, das dir heilig sein muß!“
    „Aber -“
    „Kein Aber, Pauline, es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als sich deine Küchenweisheit träumen läßt!“
    Pauline waren die Tränen nahe.
    „Aber du — du — du darfst meine Taube essen!“ stieß sie hervor.
    Paul nickte zufrieden:
    „Ich schon. Ich war früher ein Stier.“

    *

    Wie gut ist die Welt eingerichtet, daß auf jeden Tag ein zweiter folgt. Und wenn einem

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