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Das schoenste Maedchen der Welt

Das schoenste Maedchen der Welt

Titel: Das schoenste Maedchen der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Hanns Roesler
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kein wahres Wort daran, alter Junge! Man hatte mir auch nichts erzählt. Das habe ich alles erfunden, damit du mich heute früh pünktlich weckst. Ich muß nämlich den Frühzug nach Freiburg erreichen und mein Wecker ging gestern abend entzwei.“

Die Königin

    Wenn ein Hausmädchen seiner Wege geht, sucht die Hausfrau ein neues Mädchen. Das tat auch Frau Direktor Mathilde Schippendehl und zeigte unter Kleinen Anzeigen an, daß sich ein Mädchen melden möchte. Es währte nicht lange, da läutete es an der Flurtür.
    „Sie suchen ein Hausmädchen?“
    „Ja.“
    „Ich komme wegen der Stelle.“
    Das Mädchen trat ein. Es war eine erfreuliche Erscheinung. Frau Direktor Mathilde Schippendehl nickte zufrieden.
    „Sie kommen hier in ein hochherrschaftliches Haus, liebes Kind“, begann sie sogleich in den höchsten Tönen, „Sie dürfen mit uns eine fürstliche Villa von vierzehn Zimmern, acht Kabinetten und einem Wintergarten bewohnen. Wir haben auch ein Auto, das Sie sich anschauen dürfen und das Ihnen das stolze Bewußtsein verschaffen wird, bei wirklich vornehmen Leuten bedienstet zu sein. Denn der Stand der Herrschaft ist die Ehre des Bediensteten. Das Trutzvolk wird nach dem Ritter gewertet, dem es dient.“
    Von hundert Mädchen wären neunundneunzig und ein halbes davongelaufen. Die Neue aber blieb und sagte bescheiden:
    „Zu viel der Ehre, gnädige Frau, zu viel der Ehre!“
    „Sagen Sie schlicht und einfach Frau Direktor zu mir“, verbesserte Mathilde Schippendehl , „mein Mann hat zwar noch verschiedene Titel und Ehrennamen, aber ich bin keine Freundin von Pomp — sagen Sie also nur schlicht Frau Direktor.“
    „Wie Sie wünschen, Frau Direktor.“
    Mathilde Schippendehl fuhr selbstgefällig fort:
    „Ich muß Ihnen wohl nicht erst sagen, daß alle vierzehn Zimmer, alle acht Kabinette, der Wintergarten und die Garage täglich gründlich zu machen sind, denn in einem herrschaftlichen Hause muß alles blitztipptopp sein. Daneben sind die dreiundachtzig Palmen im Wintergarten halbstündlich mit lauwarmem Wasser abzuspritzen, und jede zweite Stunde geben Sie dem Goldfisch ein abgebrühtes Ameisenei. Selbstverständlich sind die vierzehn Zimmer, die acht Kabinette, der Wintergarten und die Garage täglich zu heizen. Wie es bei wirklich feinen Leuten üblich ist, benutzen wir keine vulgäre Zentralheizung, sondern haben originalfranzösische Holzkamine und echtenglische Kachelöfen. Die Wäsche waschen wir im Haus. Es ist nicht gefährlich. Ich wechsele das Hemd täglich höchstens viermal, mein Mann gar nur zweimal. Das Bett braucht auch nur täglich einmal überzogen zu werden, und während einer Mahlzeit wird bei uns das Tischtuch nicht gewechselt. Sie sehen also, wir nehmen Rücksicht. Dafür erwarten wir aber Wunderdinge von Ihrer Kochkunst. Wir essen nicht viel, mittags nur vier und abends nur acht Gänge, aber das muß dafür köstlich gekocht sein.“
    „Ich freue mich auf diesen Posten“, meinte das Mädchen.
    „Auf eine Eigenart des Hauses muß ich Sie noch aufmerksam machen“, fuhr Mathilde Schippendehl fort, „wir haben die Mutter meines Mannes und die Mutter meiner Mutter im Haus. Die beiden alten Damen haben leider den einen kleinen Fehler, daß sie einander spinnefeind sind. Man darf sie also nicht allein in einem Zimmer lassen und muß alle Messer und Scheren unter Verschluß halten. Sonst haben sie nur noch die Eigenart, ununterbrochen die Möbel umzustellen. Die Mutter meines Mannes will nämlich, daß alles gerade in einer Reihe steht, und die Mutter meiner Mutter bevorzugt die schiefe Aufstellung. Und nun zerren und ziehen sie den ganzen Tag an den Schränken und Kästen herum, bald aber verlassen sie die Kräfte und sie lassen alles stehen und liegen. Ihre Sache ist es dann, alles wieder auf seinen Platz zu schieben. Eine weitere Sonderheit der Mutter meines Mannes muß Sie nicht bekümmern. Sie pflegt alle Möbelstücke mit selbstgehäkelten Möbelschonern zu beziehen. Die Mutter meiner Mutter aber geht ihr von Zimmer zu Zimmer nach und zieht die Möbelschoner wieder herunter. Es genügt, wenn Sie jede Stunde einmal durch alle Zimmer gehen und die Möbelschoner auf sammeln.“
    „Es wird mir eine Wonne sein. Frau Direktor.“
    Mathilde Schippendehl sah das Mädchen zufrieden an.
    „Auf eines muß ich Sie noch aufmerksam machen, liebes Kind: wir sind im Platz sehr beschränkt. Mein Mann ist nämlich Sammler. In einem Zimmer hebt er die Bierfilze aller Gaststätten Europas

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