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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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der Hand, dass ich es war, die sich auf italienischem Boden
um den Sarg kümmern musste. Doch daran hatte ich nicht gedacht. Mit einem
Baumwollmützchen auf dem Kopf und in der durchgeschwitzten Bluse stand ich da
wie eine Touristin, die sich verlaufen hat. Ein Hin und Her von Telefonaten und
Diskussionen fing an.
    Am Ende nahmen vier
Wehrpflichtige den Sarg auf und trugen ihn in einen kleinen, luftigen Raum, wie
es sie in den Häusern am Meer gibt. Dort war eine Tür mit einem hellgrünen
Rollladen, und ich bat darum, dass man sie offen ließ. Sie führte zum Sperrgebiet
des Flughafens, man sah einen Hangar aus Metall und einen Stacheldrahtzaun.
    Ich blieb bis zum
Sonnenuntergang.
    Es war Holz, nichts
als Holz. Ins Dämmerlicht dieses abgelegenen Raumes getaucht. Ständig schweifte
ich mit den Gedanken ab und schaute hinaus, vom Licht angezogen wie eine
Fliege, die keinen Frieden findet. Ich betrachtete das Schilf, das am Rand der
Rollbahn nachgewachsen war und den Asphalt aufbrach. Ich konzentrierte mich wie
damals, als kleines Mädchen, wenn ich in der Kirche die Hostie in Empfang
genommen und mich um Sammlung bemüht hatte, doch trotz meiner Anstrengung
dümpelte ich im Nichts herum und hing meinen Gedanken nach. Ich wartete
einfach, dass die Zeit verging. Mir war etwas unbehaglich zumute, wie wenn man
abfliegt und das Gefühl hat, etwas vergessen zu haben. Man unterbricht seine
Gedanken, macht eine kleine Bestandsaufnahme, durchwühlt seine Taschen und
öffnet die Handtasche, kann sich aber nicht erinnern, was man am Boden
zurückgelassen hat.
    Dann geschah
zweierlei.
    Erstens kam Diego in
den Raum und sprach mit mir. Die Sonne stand schon tief, diese Stunde hatten
wir gern, es war langsam Zeit für Wein und Gespräche, und daher wunderte es
mich nicht, dass er diese Uhrzeit gewählt hatte, um mich zu besuchen. Er kam
nicht aus dem Sarg. Er kam von draußen und bückte sich, um nicht an den
Rollladen zu stoßen.
    Ciao,
Kleine .
    Er wollte mir bei
dieser Wache Gesellschaft leisten wie damals, als wir gemeinsam beim Arzt
gewartet hatten. Seinen Bart aus Sarajevo hatte er nicht mehr, sein Gesicht war
glattrasiert, und er trug das alte, weiße Hemd ohne Kragen, das auf der Brust versteift
war, dazu seine Safarihosen. Er war frisch geduscht, sein nasses Haar duftete
nach Shampoo.
    Ich fragte ihn, ob er
gelitten habe.
    Er lächelte und
wiegte den Kopf. Ein
bisschen .
    Ich fragte: Wie ist der Tod, Diego?
    Er dachte keine
Sekunde nach: Er ist
ein aufsteigender Fluss .
    Zwischen uns stand
der Sarg, Diego hatte die Füße daraufgelegt. Dies schien die Totenwache für
einen Mann zu sein, der vor vielen Jahren gestorben war, vielleicht für seinen
Vater. Jetzt spielte er Gitarre, ich betrachtete die abgelaufenen Sohlen seiner
Stiefel, von einem, der viel gewandert ist. Vor dem Hangar stand ein Flugzeug,
eine kleine Militärmaschine mit Propellern.
    Möchtest
du verreisen, mein Schatz? , fragte ich ihn.
    Er sah mich lange an,
mit feuchten, alten Augen. Mit lebensstarken Augen, nah an der Zartheit des
Himmels.
    Nein,
ich möchte bleiben .
    Erst jetzt fragte er
nach dem Baby.
    Ich erzählte ihm,
dass es mir am Morgen beim Wickeln ins Gesicht gepinkelt habe.
    Er lachte und sagte,
auch er habe seine Mutter angepinkelt, kleine Jungs machten das eben. Er fuhr
mit der Hand zu seinem Gesicht, spreizte die Finger und verharrte einen Moment
lang unter diesem Käfig.
    Als er ging, ließ er
einen Film auf dem Sarg zurück.
    Und zweitens fand ich
tatsächlich einen Film, ohne Hülle und zerknittert. Er lag auf dem Boden, neben
dem Rollladen, von jemandem vergessen, der wohl nicht wusste, wie man ihn herausnimmt,
und ihn verdorben hatte. Ich steckte diese vom Licht ruinierte Filmrolle ein.
Und fühlte mich besser, so als wäre sie das gewesen, was ich bis vor kurzem
noch gesucht und nicht gefunden hatte. Ich verließ den Raum.
    Auf der Beerdigung am
nächsten Tag sind viele junge Gesichter, die Studenten aus der Schule für
Fotografie. Violas Haare sind nachgewachsen, sie hat den Krebs besiegt, kann
aber den kleinen Afghanen nicht im Zaum halten, der sich entwindet und ein paar
einsame Schritte auf den Sarg zu macht. Der Priester ist ein alter Schulkamerad
meines Vaters, ein stämmiger Mann, der leiernd spricht. Jedes Mal, wenn er Diego sagt, fahre ich zusammen. Warum ruft er ihn? , denke ich.
    Ein dünner Kerl, kaum
größer als ein Kind, kommt auf mich zu.
    »Du bist seine Frau?«
    Offene Vokale,
Konsonanten, die wie Meer zerfließen,

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