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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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der starke Akzent der ligurischen Gassen,
Diegos Akzent.
    »Ich bin Pino.«
    Er umarmt mich hart.
    Boxergesicht,
Sonnenbrille und Gel wie ein Totengräber.
    Ich habe ihn auf
vielen Fotos gesehen, er war der Anführer der Ultras, ich kann nicht glauben,
dass er so klein ist, auf Diegos Fotos schien er ein Riese zu sein.
    Er stellt mir die
anderen vor, die Gruppe aus Genua, abgezehrte Fixergesichter. Er fragt mich, ob
sie ihre Fahne auflegen dürften. Sie ist traditionsreich, vollkommen dreckig
und zerrissen, mit den Autogrammen der Spieler. Wie ein Leichentuch breiten sie
sie langsam über den Sarg.
    Die
Fahne ist dein Vater, deine Mutter, die Arbeit, die du nicht hast, das Heroin,
und zwar das gute …
    Diegos Mutter ist mit
ihrem Freund im Auto gekommen, siebenhundert Kilometer bis zu dieser ruhmlosen
Stadtteilkirche.
    Sie sitzt neben mir
auf der Bank, wie festgeklebt. Eingeschüchtert. Arme Rosa, sie ist ein welkes
Blümchen, das sich nicht mehr erholen wird. Doch sie hat sich die Haare
gemacht, man sieht, dass sie beim Friseur war, ihr Kopf ist in feste, violette
Locken toupiert. Ich halte ihre Hand, sie drückt zu, als wolle sie mich um
Verzeihung bitten.
    Sie hat zu mir
gesagt: »Ich konnte ihn nicht zu Hause behalten, ich musste ihn ins Heim geben,
aber wenn ich noch mal zurück könnte …«
    Man kann nicht
zurück, Rosa.
    Jetzt denkt sie
vielleicht an die Jahre, als Diego klein war, ein so kleiner Hänfling , er warf sich im Schlaf heftig herum
und fiel aus dem Etagenbett, da rief man sie von der Krankenstation an, weil
das Kind nach ihr verlangte, aber Rosa konnte nicht nach Nervi kommen, in
dieses Heim, ein
gutes Heim, Gott behüte , sie hatte doch Schichtdienst in der Kantine. Sie sprach am Telefon mit
ihm, Sei
lieb, mein Kleiner ,
sagte sie. Inzwischen ist sie mit ihrem Freund nach Nizza gezogen, sie haben da ein
Häuschen , nur
schade, dass sie dieses Zittern in den Händen hat.
    Sie hat ihr Enkelkind
auf die Stirn geküsst, sich jedoch nicht getraut, es auf den Arm zu nehmen. Sie
wirkt geistesabwesend, von Gespenstern beherrscht, die elender sind als sie.
Still verströmt sie den Geruch ihres Mundes, der all die Stunden im Auto
geschlossen war.
    Ich habe sie gefragt,
ob das Baby Ähnlichkeit mit Diego als kleinem Jungen habe.
    »Es sieht genauso aus
wie Diego auf einem Foto, ich zeige es dir, schicke es dir.«
    Sie lächelte
abwesend, benommen.
    »Sie schießt sich mit
Tavor ab«, erzählte mir Pino später.
    Das Mädchen, das das
Evangelium liest, ist ein bisschen zurückgeblieben, es sieht aus wie ein
Seehund mit Perücke. Diego hätte sie als Modell genommen.
    Ich habe einen
Rekorder mitgebracht. Ich stehe auf und drücke die Play -Taste.
    Auf dem Sarg liegt
nicht eine Blume. Nur die kaputte Leica und die Fußballfahne von Genoa. Über
diesem bisschen schwebt I Wanna Marry You .
    Oh,
darlin’ there’s something happy and there’s something sad … Duccio lehnte die ganze Zeit über
an einer Säule unter dem Seitengewölbe, mit verschränkten Armen und breitbeinig
wie ein Rausschmeißer.
    Die Jungen aus der
Schule für Fotografie laden sich das Holz mit ihrem jungen Lehrer darin auf und
tragen es weg.
    Der kleine Afghane
gibt jetzt Ruhe, er macht Seifenblasen. Fliegende Pfützen, die Diego gefallen
hätten. Für einen kurzen Moment sehe ich in ihnen seine abstürzenden Augen.
    Der übliche Beifall
erklingt.
    Hinten in der Kirche
ist Armando unter dem Vorwand, sich um das Baby zu kümmern, die ganze Zeit hin
und her gewandert. Er ist unrasiert, und seine himmelblauen Augen verlieren sich
im dunklen Fleisch. Sein Gesicht ist fast wieder in Ordnung. Er hat Pietro im
Kinderwagen zum Einschlafen gebracht, ab und an war noch ein Wimmern zu hören.
Jetzt baut er sich vor dem Sarg auf und streckt eine Hand aus. Er berührt ihn
nicht sofort, er wartet, als gäbe es zwischen seiner Hand und dem Holz noch
einen ungedachten Gedanken, ein Gebet. Er ist ein alter Mann, zum ersten Mal
ist er dermaßen alt. Er neigt den Kopf und stützt sich am Sarg ab, wie um den
reglosen Jungen dort drinnen um Hilfe zu bitten, der nur noch eine Mumie ist,
menschliche Überreste wie Apfelgriebsche.
    Wangen ohrfeigen
mich, eine nach der anderen, Küsse in die Luft, Todesküsse. Mir tut die Haut
weh. Ich nehme meine Sonnenbrille nicht ab, um all diesen Blicken nicht zu
begegnen, die mir begegnen wollen. Schwarze Fische.
    Ich höre, wie Rosas
Freund sie fragt: »War es kalt in der Kirche?«
    Der Sarg wird in den
Kleinbus der

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