Das schönste Wort der Welt
Frucht. Dieser Körper gehört ihr nicht
mehr, ist nicht mehr ihrer, er dämmert einfach gemeinsam mit ihr vor sich hin.
Der Körper wie ein
Planet, der durch den Kosmos zieht, der aus einer Leere in die nächste taucht.
Der Körper wie ein zurückgelassener Eimer, der das Regenwasser auffängt, wie
eine Dachrinne, rostfleckig. Der Körper wie ein Loch, durchzogen von einer
Rakete, einem dieser Shuttles oder Sputniks, eingetreten durch die Vagina und
wieder ausgetreten aus dem Kopf. Einen Feuerschweif wie die Ewige Flamme hinter
sich lassend. Der Körper wie ein Ganzes von zerrenden Punkten, von sich gegenseitig
bekämpfenden Zellen.
Der Doktor gibt ihr
Spritzen, die sie beruhigen, den Schmerz lindern, doch die braucht sie
eigentlich nicht, denn sie bliebe so oder so ruhig. Sie fragt sich nicht
einmal, warum man sie hierbehält, warum man sie nicht in Frieden verenden lässt
wie ein Tier in einem Laubnest.
Sie ist in dem Bauch,
der sie geboren hat, ist genauso reglos. Der Schmerz ist eine Membran, beengend
wie eine Fruchtblase.
Diego kocht eine
Brühe. Askas Mund ist ein offenes Fach, ein Schnabel aus totem Fleisch, die
Brühe fällt auf das Kinn wie Wasser aus einem Springbrunnen.
Diego spielt Gitarre,
während das Licht in die Nacht stürzt. Vielleicht tut ihr die Musik ja gut.
Askas Körper bewegt
sich kaum, nur manchmal wird er von einem Zittern erfasst, leicht wie das eines
Blattes, das gleich abfallen wird.
Es ist eine Qual, am
Leben zu sein. Dem Schmerz zuzusehen ist für ihn schlimmer als der Schmerz
selbst. Die Kerze auf dem Fußboden bewegt die Schatten und wirft Licht auf die
Spukgestalten. Er hat keinen Finger gerührt, um Aska zu beschützen, er ist
zurückgewichen, um nichts zu sehen, und hat die Hände auf die Ohren gepresst,
um die Schreie nicht zu hören.
Nun kann er sich
nicht von diesem Körper lösen. Er blinzelt, langsam, in der Dunkelheit. Der
Körper auf dem Bett ist schwarz, er sieht aus wie der Igman bei Nacht. Askas
zerrissene Haut kribbelt, wächst nach. Sie spannt, um sich zu schließen. Die
Wundränder fügen sich zusammen.
Es ist entsetzlich,
zu spüren, wie der Körper erwacht und wieder aufblüht wie alles, wie die
Morgenröte, das Gras. Die Mäuse sind von ihren Augen verschwunden, die
allmählich abschwellen, das Schwarz der Blutergüsse verfärbt sich gelb. Aska
sieht Diegos Jeans, sie hört seinen Atem. Sie trinkt die erste Tasse Brühe.
Diego hält ihr den Kopf, sie kann ihm nicht ins Gesicht schauen und sie will es
nicht. Sie schämt sich vor sich selbst, für das, was man ihr angetan hat. Sie
hält den Blick fortwährend gesenkt.
Sie hat Schorf am
Mund, Diego wartet darauf, dass er abfällt. Er betrachtet das rote Haarbüschel
außerhalb des Kokons aus Betttüchern. Wartet auf den Tag, an dem sie ihn fragen
wird Wo
hattest du dich bloß versteckt?
Diego hat den vollgeknipsten
Film. Hat die Folterknechte in der Tasche.
Er weiß, dass das
Böse sich zusammenschart, sich zusammenrottet, weil es feige ist und nicht
allein bleiben kann. Das Böse braucht es, gesehen zu werden. Und er hat
gesehen. Auch er hat vergewaltigt.
Aska hat diesen Fleck
im Nacken, diesen Zigarettenkrater. Das ist das Auge ihres Peinigers, der sie
anschaut, ein Geschenk, das nicht ewig währt. Denn zum Glück ist der Körper
nicht unvergänglich.
Sie hat nicht
bemerkt, dass sie schwanger ist, weil sie weiterhin dickflüssiges Blut verlor.
Jetzt will sie abtreiben, das ist alles, was sie will, den Auswurf dieser
Teufel ausstoßen.
Der muslimische
Doktor sagte Gott
wird auch den Kindern nicht vergeben .
Sie wird ihn
ausstoßen, das steht geschrieben. Das ist ein notwendiges Schicksal. Es steht
in den Adern des alten Doktors geschrieben und auch auf den Anatomietafeln. Es
ist ein uraltes Gesetz, wie das des Korans.
Vor Moscheen bleibt
sie stehen, geht zum Reinigungsbecken und wäscht sich die Hände, den Nacken,
dort, wo der schwarze Fleck ist. Dieses Loch. Sie denkt an die Worte des Imams
aus der Zeit, als sie als Kind mit ihren Eltern und ihrem Bruder in die kleine
Moschee ging.
Am Tag
des Gerichts wird die lebendig Begrabene Rechenschaft darüber ablegen müssen,
weshalb ihr dieses schreckliche Schicksal widerfuhr.
An den irdischen
Gesetzen zweifelnd, klammert sich die Punk-Trompeterin nun an einen mit
Propheten bevölkerten Himmel. Sie bittet Gott, dieses Gerinnsel der Teufel
einzustampfen. An Orten ohne Deckung verlangsamt sie ihren Schritt. Sie hofft,
dass ihr ein Scharfschütze in den
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