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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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oben dringt Licht, das staubverschleiert in den Raum fällt. Ringsumher
kein Autolärm und auch keine Stadtgeräusche. Sie unterhält sich mit den Frauen,
einige sind Bäuerinnen, doch viele sind gebildet, Akademikerinnen. Keine kann
es fassen, dass so etwas möglich ist, dass dies wirklich ein Gefangenenlager
ist.
    Aska hat nun
Küchendienst, zusammen mit den anderen Frauen. Wenn sie Trompete spielt, machen
die Männer ihr Komplimente, sie sind froh, dass es ein bisschen Musik gibt, ein
bisschen Fröhlichkeit in diesem trostlosen Raum voller erschreckter Schafe, die
anfangen zu stinken.
    Nachts kommen sie
dann. Aska versteckt sich. Sie holen zwei, drei Frauen auf einmal. Wenn sie
zurückkommen, sieht keine sie an. Inzwischen wissen sie Bescheid. Wissen sie,
dass sie sofort vergessen müssen. Man bringt sie im Morgengrauen zurück. Sie wollen
von den anderen Frauen nicht angesehen werden. Sie hinken zum Klo. Auch Aska
bringen sie weg, sie fällt ihnen durch ihr Haar auf, sie ist ein roter Goldfisch,
es ist leicht, sie herauszuangeln. In der Dunkelheit fallen die Blicke auf sie,
und sie hört das Gelächter.
    Aska hält durch. Dann
holen sie auch die Kleine, ein zwölfjähriges Mädchen. Und das kommt nicht
zurück.
    Aska spielt weiter
Trompete, sie glaubt daran, dass die Musik sie retten wird. Fragt sich nicht
mehr, wo ihr Leben ist, wo der italienische Junge ist, wo die Kafana ist, in
der sie mit ihren Freunden war, um sich zu amüsieren und Jazz zu spielen. Ihre
Lippen sind trocken wie Salz. Sie fragt sich, wo die Kleine ist; als die maskierten
Männer das Mädchen herausgriffen, sprang es auf und folgte ihnen mit der
gleichen Bereitwilligkeit, die es gewiss auch in der Schule gehabt hatte, wenn
die Lehrer es zur Leistungskontrolle aufriefen.
    Manchmal lassen sie
sie nackt musizieren. Sie bläst ihre Angst in die Trompete. Der Typ, der am
kultiviertesten zu sein schien, der mit dem dunklen Fleck unter einem Auge,
füllt ihr den Mund wie einen Nachttopf und drückt auf ihrem Hals das aus, was
er raucht, als wäre ihr Nacken der Fußboden einer Bar.
    Sie kommen noch
mehrmals, um sie zu holen.
    Sie begreift, warum
die Kleine es nicht geschafft hat. Es liegt am Körper.
    Askas Körper ist wie
betäubt. Der Schmerz ist dumpf, bleibt weggesperrt. Er scheint durch einen
Körper neben ihr zu zucken. Wie ein Blitz, der im Boden einschlägt und dich
erschüttert, ein Weg, der durch andere Dinge geht.
    Das Problem ist das
Danach, die Stunden nach den Quälereien. Wenn man feststellt, dass es einem
nicht mehr gelingt, in seinen Körper zurückzuschlüpfen.
    Seit die Kleine nicht
mehr zurückgekommen ist, sieht Aska nur noch ein Licht, das sich schließt wie
die Klappe des Ofens, in dem sie sich als Kind versteckt hat. Es war ein gutes
Versteck, das ihr jedoch unheimlich war, sie hatte Angst, dass sie nicht mehr
herauskam und ihre Mutter vielleicht Feuer machte, ohne sie dort drinnen zu
bemerken. Sie sieht, wie das Feuer an ihrer Haut hochklettert, sie steckt darin
wie eine Zündschnur.
    Sie hat immerfort die
Noten der Musik vor sich, sie fallen vom Himmel, als man sie vergewaltigt, sie
sind Haare, die aus einer Bürste fallen.
    Aska hört ihre
Stimmen nicht mehr, es sind immer die gleichen Wörter. Muslimische Schlampe, türkische Nutte, ruf
doch nach Izetbegović, ruf doch nach deinem Präsidenten, frag ihn, wo er steckt … Sie lachen, amüsieren sich.
    Warum nennen sie sie
bloß immerzu muslimische
Schlampe? Es
ist Jahre her, seit sie das letzte Mal in einer Moschee war. Sie ist ein
modernes Mädchen, konfessionslos, Musikerin, sie hat eine Solfeggio-Ausbildung,
kann komponieren, spricht Italienisch, Englisch und Deutsch, sie hat die Pille
genommen.
    Sie sind stereotyp,
alles ist stereotyp. Die Steigerung der Gewalt ist mehr oder weniger immer
gleich. Es gibt welche, die es schnell hinter sich bringen, da ist ein neuer
Junge, der es vielleicht gar nicht tun möchte und es nicht einmal schafft, sie
anzusehen, doch er hat Angst vor den anderen. Denn sie müssen alle
zusammenbleiben, im selben Stall, im selben Schaf. Es gibt welche, die zu
betrunken sind, und es gibt einige, die sie einfach nur umbringen wollen, Aska
spürt es, sie wollen ihr gründlich den Hals umdrehen. Doch wahrscheinlich haben
sie strikte Befehle.
    Eine Frau hat die
Kleine gesehen, den Rest, der von ihr noch übrig war. Und sie hat gehört, wie
einer der Kommandanten herumschrie. Er war wütend auf seine Leute, die sich
hatten gehenlassen. Dann verzieh er

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