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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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typisch für sie.
    Sie ließ seelenruhig
los, fuhr sich mit den Händen über den Körper und legte sie selbst
übereinander. Das war eine ihrer Lieblingshaltungen, sie hatte oft so
dagesessen, mit einer Hand auf der anderen.
    Mein Vater magerte
ab, bis auf die Knochen. Ich lud ihn zum Abendessen ein, doch er wollte nicht
kommen. Also ging ich zu ihm, um für ihn zu kochen, ich versuchte, Annamarias
Fleischklößchen zu machen. Armando saß vor den Küchenfliesen und rührte so gut
wie nichts an.
    Gojko zieht sich die
Jacke über den Kopf, es regnet wieder. Er geht über die Straße, um sich
Zigaretten zu kaufen. Zündet sich eine im Regen an, raucht sie, obwohl sie nass
ist, und wirft sie nach der Hälfte weg, weil sie ausgegangen ist. Er dreht sich
zu mir um, ich sehe sein Gesicht mit den an der Stirn klebenden Haaren und dazu
diese Jacke auf seinem Kopf wie eine Decke, er sieht aus wie eine Frau, sieht
aus wie seine Mutter.
    Wir kommen aus der
Fotoausstellung. Schlendern gemeinsam mit einer kleinen Gruppe von Leuten zu
einem Restaurant. Ich habe Angst vor meinen Gefühlen, vor der Hand des Schmerzes,
die reglos ist. Es wäre mir lieb, wenn Gojko sich nicht mehr zu mir umdrehte,
wenn er zuließe, dass ich verschwinde. Ich bleibe vor einem Schaufenster mit
kleinen Schmuckstücken stehen. Betrachte eine filigrane Anstecknadel in Form
einer silbernen Rose.
    »Gefällt sie dir?«
    Ich hatte nicht
bemerkt, dass Pietro hinter mir steht. Er ist da, sein Atem streift mich und
lässt die Scheibe beschlagen. Er hat die Kapuze des Sweatshirts auf dem Kopf,
blau wie seine Augen, die heute Abend schwarz zu sein scheinen. Er zeigt mit
dem Finger auf die Rose, die in der Mitte des Schaufensters auf ein armseliges
Samtkissen drapiert ist.
    »Gefällt sie dir?«
    »Was, mein Schatz?«
    »Die Anstecknadel, da
… die Rose.«
    Ich nicke. »Sie ist
schön, ja.«
    Ich hole Luft und
atme aus, gegen das Glas, gegen die Rose. Diego hatte mir die gleiche Frage
gestellt und auf ein Schaufenster unweit von diesem gedeutet, auf demselben
türkischen Basar, auf eine filigrane, silberne Rose. Er hatte sie mir unter dem
Treppenverschlag einer Bierkneipe an die Bluse geheftet …
    Pietro sieht mich an,
sieht, dass ich schwanke wie eine Betrunkene.
    »Bist du müde, Ma?«
    »Nein … nein …«
    »Es ist wegen der
Fotos, stimmt’s?«
    Ich wende mich meinem
Sohn zu, seinem Gesicht, das lang und knochig ist wie das seines Vaters.
    »Haben sie dir
gefallen?«
    Er antwortet nicht
gleich, wiegt den Kopf und nagt an seiner Unterlippe.
    »Sie tun weh, Ma.«
    Es ist seit Monaten
das erste Mal, dass er mir aufrichtig vorkommt, das erste Mal, dass da nicht
dieses unsägliche unterdrückte Lachen ist, das hinter einem angespannten
Gesicht auf der Lauer liegt.
    Ich suche seine Hand,
nehme sie ihm weg, sie ist kalt.
    »Das tut mir leid,
Pietro.«
    Ich sehe, dass er
etwas runterschluckt, dass sich seine Kehle im Dunkeln bewegt.
    »Diego war gut, er
war einer von den ganz Großen.«
    Er betrachtet das
Schaufenster, die Rose auf ihrem kleinen Kissen.
    »Ich sehe ihm nicht
ähnlich, stimmt’s?«
    »Du bist ihm wie aus
dem Gesicht geschnitten.«
     
    »Huhu, meine Kleine …« Er kommt in den Raum und lächelt mich an.
    Wir sind im
Wartezimmer einer privaten Arztpraxis. In einem eisigen Aquarium. Vor mir steht
ein leeres Sofa, haargenau das gleiche, auf dem ich sitze, perlgraues Leder.
Die Fenster haben Eisenrahmen, im Stil industrieller Archäologie, ein großes
abstraktes Gemälde nimmt eine ganze Wand ein, rote Flecken, Blasen aus Licht
und Blut, die in einen dunklen Hintergrund ziehen.
    Diego ist da, zum
Glück. Ich habe die ganze Zeit nur auf die Tür gestarrt, leicht vorgebeugt, die
Hände zwischen den Beinen verschränkt, am Gummiband der Socken. Und jetzt ist
er endlich da, mit zerdrückten Haaren und seinem hageren Gesicht, das mich
jederzeit aufmuntert.
    »Bin ich zu spät?«
    Ich schüttle den
Kopf. »Nein, ich bin auch gerade erst gekommen.«
    Er sinkt zu mir auf
das Sofa und küsst mich auf die Wange, er hat seinen Helm in der Hand, riecht
nach sich selbst, nach der Stadt, durch die er mit dem Motorrad gefahren ist.
    Er küsst mich und
zieht sich die schweren Handschuhe aus. Ich lächle ein hässliches, angespanntes
Lächeln. Er reibt mir die Schultern, schüttelt mich.
    »Muss ich mir noch
einen von der Palme wedeln?«, fragt er lachend.
    Ich versuche auch zu
lachen.
    Als der Genetiker
sich Diegos Analyseergebnisse ansah, nickte er zufrieden, zum

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