Das schönste Wort der Welt
dunkle
Bereiche, weiches Gewebe.
Die schrille Stimme
sagt: »Sie sind empfängnisunfähig, Ihre Sterilität liegt bei siebenundneunzig
Prozent, nach unseren Maßstäben ist das eine totale Sterilität.«
Ich nicke, die Hände
zu einer kleinen Rose aus Knochen und gelber Haut verkrampft.
Diego steht auf,
wischt sich die Hände an den Jeans ab, setzt sich wieder.
»Und die übrigen drei
Prozent?«
Der Professor
verzieht den Mund.
»Wunder …«, lächelt
er. »Wir sind in Italien, da lässt man sich immer ein Hintertürchen für ein
Wunder offen, das kostet ja nichts.«
Er begleitet uns bis
vor die Tür, so weit hat er uns noch nie gebracht, an der Anmeldung vorbei bis
zum Ausgang. Ihm tut es auch leid, er ist wie ein Priester, der zwei Gläubige
aus einer Kirche jagt.
»Danke.«
Diesmal wollte er
nicht eine Lira und hat uns fortgezogen, weg von der Anmeldung.
Wir gehen die Treppe
hinunter, ich berühre den glänzenden Lack des Handlaufs. Dieser Palazzo ist
bildschön, aus den vierziger Jahren, weiß und glatt wie ein Schiff.
Ich leide nicht mehr.
Ich habe schon genug gelitten. Vielleicht bin ich sogar erleichtert. Ich werde
nie eine Mutter sein. Werde für immer ein Mädchen bleiben. So werde ich altern,
vertrocknet und allein. Mein Körper wird sich nicht verformen, sich nicht vermehren.
Gott wird nicht da sein. Es wird keine Ernte geben. Es wird kein Weihnachten
geben. Es gilt, den Sinn des Lebens in der Welt zu suchen, in ihrer Dürre, in
ihren Engpässen … in diesen Läden, in diesem Straßenverkehr. So werde ich
altern. Tot, ja, genau so fühle ich mich. Ruhig und friedlich, weil verstorben.
Der Weg des Lebens
liegt hier, in dieser Straße, die ich mit meinen üblichen Beinen überquere. Auf
meiner Brust trage ich ein Schild, so wie die Armen eines um den Hals, wie eine
Hundemarke. UNFRUCHTBARE
FRAU .
Ich reiße die Fenster
auf. Die Wohnung kommt mir dunkel vor, vielleicht sind die Wände schmutzig,
nachgedunkelt vom Staub, der von der Straße heraufkommt. Ganz hinten ist ein
leeres Zimmer. Bei schlechtem Wetter hängen wir dort die Wäsche auf, es ist
geblieben, wie es war, unbenutzt seit der Renovierung. Dieses Zimmer war für
das Kind.
Und der Flur ist
lang. Ideal für einen Ball, für ein Dreirad.
Ich gehe mit meiner
Baskenmütze und meinem Gendarmenmantel die immergleichen Wege.
In der Redaktion bin
ich misstrauischer geworden. Den anderen Frauen gegenüber. Sie wissen zwar,
dass ich Probleme hatte, doch den ganzen Rest nicht.
Als wir darauf
warten, dass der Kaffee in den Plastikbecher läuft, erzählt mir Viola, dass sie
schwanger ist, und ich umarme sie. Ich bin ziemlich ehrlich. Als ihr Bauch
meinen berührt, bekommen wir einen Schlag. Ich lächle, vielleicht sei unsere
Kleidung schuld, der synthetische Mist, aus dem sie hergestellt ist. Sie nickt
und zündet sich eine Zigarette an. Zweimal hat sie abgetrieben, doch diesmal
will sie es behalten. Sie ist schon siebenunddreißig.
»Das Verfallsdatum
rückt näher, wie beim Joghurt.«
Später, als sie mich
nicht sehen kann, betrachte ich ihren Bauch. Ich mag sie gern. Sie gehört zu
den leicht chaotischen Menschen, die man einfach gernhaben muss. Doch jetzt
stört es mich, mit ihr im selben Raum zu sitzen, ich finde sie schlampig und
blöd.
Ich übersetze einen
Artikel über männliche Impotenz aus dem Englischen. Ein Mann sagt im Interview:
»Wenn du blind bist, kannst du deine Frau bitten, mit ihren Augen für dich zu
sehen. Doch wenn du impotent bist, kannst du sie nicht bitten, Sex für dich zu
haben.« Ich weine.
Die Welt ist jetzt
zweigeteilt. Ich gehöre zur fahlen Hälfte. Wie die verbrannten Wälder, die von
Algen erstickten Meere, die Frauen von Tschernobyl.
Diego holt mich ab.
Ich schiebe meinen Arm unter seinen, bin steif, unsicher. Plötzlich scheint mir
diese Stadt voller schwangerer Frauen zu sein. Vorher hatte ich nie darauf
geachtet, doch jetzt kommen sie mir vor wie eine ganze Armee. Ein
unerschrockenes Bataillon, das mir entgegenmarschiert. Ich sehe nicht hin, wenn
sie an mir vorbeigehen. Wittere sie schon von weitem, mit der Spürnase eines
Hundes. Aus den Augenwinkeln spähe ich zu Diego hinüber.
Ich gehe zum Friseur,
halte der Kosmetikerin meine Hände hin. Sehe ihr zu, während sie mir die Nägel
poliert, mir die Häutchen entfernt. Es ist ein regloses Vergnügen für meinen
Körper, steril wie alles andere. Das proletarische, in diesem Schönheitssalon
über mich gebeugte Mädchen hat einen blühenden Busen
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