Das schönste Wort der Welt
und einen fruchtbaren
Bauch, sie treibt es mit ihrem Kerl und passt auf, dass sie nicht schwanger
wird, verschwendet Kinder an Kondome. Ich wette, sie ist glücklicher als ich.
Ich gebe ihr ein gutes Trinkgeld, sie lächelt mich mit ihren dicken Lippen an,
mit ihrer kräftigen Haut, mit ihren frechen Augen. Vielleicht hasse ich sie,
hasse die Fruchtbarkeit der Armen. Hasse die somalische Frau, die die Treppen
im Hausflur putzt, manchmal bringt sie ihre Tochter mit. Dann setzt sich das Mädchen
in eine Ecke, folgt der Mutter auf den Stufen, liest irgendein Heftchen oder
spielt still vor sich hin. Ich gehe vorbei und lächle dieser kleinen Kröte zu.
Es ist Weihnachten.
Wir haben keine Lust, in Rom zu bleiben, in diesem Rummel von Geschäften und
Weihnachtskrippen. Wir fahren in die Berge, in ein Hotel, das aussieht wie aus
Marzipan. Wir machen eine Thermalkur, decken uns mit grünem Schlamm zu und
hüllen uns in den Luxus weißer Bademäntel. Das Hotel hat Fenster mit gelbem
Licht, die auf den Schnee zeigen. Nach dem Abendessen betrachten wir diesen
Zauber, diese Ödnis. Wir verlangen den Zimmerschlüssel und gehen hinauf. Das
Bett ist groß, auf dem Kopfkissen liegt eine Praline. Der Wasserhahn ist
aufgedreht, ich sehe dem Wasser zu, das herausströmt und vergeudet wird. Hätte
ich ein Kind, würde ich den Hahn zudrehen und mich um die Welt sorgen, um ihren
Durst. Die verspäteten Flitterwochen gefallen mir nicht mehr, sie fühlen sich
schlecht an, unglückselig.
Am nächsten Abend
gehen wir zum Bowling. Darauf hat Diego bestanden, damit wir uns ein bisschen
amüsieren. Die Stimmung ist wie in einem amerikanischen Fernsehfilm, Kinder,
die spielen. Am Eingang Gummischuhe voller Schneematsch. Wir schlürfen mit
einem Strohhalm heiße Schokolade aus riesigen Gläsern und essen Hotdogs. Wir
lassen die schwarzen Kugeln rollen, sie gleiten über die polierte Bahn und
donnern hinten mit einem Heidenlärm gegen die Kegel. Mir gefällt dieser Krach,
will man sich unterhalten, muss man schreien. Ich schreie gern. Wir kichern wie
kleine Kinder. Wir haben einen Schritt zurück gemacht im Leben, das ist nicht
verkehrt. Um nicht zu leiden, müssen wir ein bisschen albern werden. Ich habe
rote Wangen und Fieber in den Augen. Diego hängt sich an mich, küsst mir den
Nacken. Hilft mir, das Gewicht auszubalancieren, zu werfen.
Ich betrachte die
aufgestellten Kegel. Denke an Kinder. An dieses Heer von Infanten, die einfach
aufs Geratewohl kommen, oftmals dort, wo sie es nicht sollten, wo niemand sie
braucht. Ich nehme Anlauf, lasse den Arm schwingen, werfe die Kugel mit aller
mir zur Verfügung stehenden Wut.
Auf dem Zimmer isst
Diego die Praline. Er dreht sich um.
»Warum adoptieren wir
eigentlich kein Kind?«
Er ist ein
zeugungsfähiger Mann, er kann es sich leisten, großzügig zu sein. Am liebsten
würde ich ihm einen Fausthieb verpassen. Ich lächle und warte. Bis das Feuer
aufgestiegen ist und wieder verschwindet.
Mir gruselt vor
fremden Kindern. Gruselt vor der genetischen Karte, vor dem
Abstammungsnachweis. Um sich auf einen Zufallstreffer zu verlassen, braucht man
zumindest etwas Leichtigkeit. Ich bin eingeschlossen in meinen verplombten
Körper. Die Welt wird ihre Kinder behalten, und ich werde meine Unverträglichkeit
mit dem Leben behalten.
Ich sehe ihn an,
lächle wieder.
»Wir sind nicht verheiratet.
Wir könnten höchstens eine Patenschaft übernehmen, nichts Enges.«
Nichts Enges.
Es ist eine Kirche
Es ist eine Kirche im
Zentrum, voll mit barockem Gold, schmierigen Gewölben, Lichtreflexen auf
Fresken und düsteren Allegorien.
Es ist die Zeit der
Reue, des Leidenswegs. Die heranrückende Fastenzeit. Ich setze mich auf einen
kleinen, goldfarbenen Stuhl unter einem Seitengewölbe, weiter hinten im Dunkeln
nur ein paar alte Jungfern, Frauen, deren armselige Körper keine Früchte tragen
mussten.
Ich schäme mich, weil
ich glaube. Weil ich mich diesem Mittelalter hingebe. Ich habe mich mit dem
wissenschaftlichen Ursprung des Lebens beschäftigt, mit Mikroorganismen, die in
rauen Mengen die Meere bevölkerten, mit dem Agnostizismus, mit den Überlegungen
der freiesten Mystiker … Ich hatte Sex, habe geheiratet und mich wieder
getrennt, bin gereist, habe mich von Bedenkenlosigkeit genährt. Was tue ich
hier, bei diesen Betschwestern? Es ist Mittwochnachmittag. Die Geschäfte
quellen über von Schokoladeneiern, die Kinder sehen ihren Überraschungen
entgegen und Er seinem Leidensweg.
Ich fühle mich nicht
wohl
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