Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
aufgelöst haben?«
»Morgen früh werden sie einem ordentlichen christlichen Begräbnis der beiden beiwohnen, denen unser Arzt leider nicht helfen konnte. Wir nähen Gewichte in die Laken, damit niemand merkt, dass sich keine Leichen darin befinden. So sind alle zufrieden, und Sie entkommen den Engländern.«
»Nein, nicht wir beide«, widersprach Lord Griffin. »Sie können uns nicht alle zwei sterben lassen, das glaubt Ihnen kein Mensch. Was für ein Licht würde das außerdem auf Ihren armen Schiffsarzt werfen?« Er lehnte sich lachend mit verschränkten Armen zurück. »Nein, sorgen Sie dafür, dass der Junge von Bord kommt. Ich weine gern bei seiner Trauerfeier, um Ihre Geschichte glaubwürdiger zu machen.«
Moray richtete sich auf. »Lord Griffin, ich bestehe darauf …«
»Immer mit der Ruhe. Sie sind jung und haben das Leben noch vor sich, während meines sich dem Ende zuneigt.« Und an Gordon gewandt fügte er hinzu: »Wie gesagt, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, wenn man mich gefangen nimmt. Ich kenne Queen Anne seit Urzeiten und war in der Leibwache ihres Vaters. Mir passiert schon nichts. Außerdem finde ich die Aussicht auf ein Zimmer im Tower, von dem aus ich die letzten Jahre meines Lebens auf London blicken kann, gar nicht so abschreckend. Ich war lange nicht mehr zu Hause.«
Als Moray noch einmal widersprach, fuhr Gordon aus der Haut: »Mein Gott, Mann, wenn Sie jetzt nicht endlich aufhören, liefere ich Sie eigenhändig aus und hole mir die Belohnung. Sie haben selbst einmal gesagt, dass es einem Soldaten nicht zusteht, Befehle in Zweifel zu ziehen. Er muss sie einfach befolgen. Nun tun Sie das auch. Ihr zuliebe, wenn schon aus keinem anderen Grund.«
Moray hob bedächtig die Hand und legte das Lederband mit dem kleinen schwarzen Stein wieder an, als wäre der die einzige Rüstung, derer er nun noch bedurfte. Dann nickte er.
Sophia, die während seiner Ausführungen kein einziges Wort gesagt hatte, starrte Captain Gordon an, der immer noch mit dem Rücken zu ihr am Fenster stand.
»Und es gelang uns tatsächlich, ihn von Bord zu bringen«, schloss Gordon seine Erzählung. »Bei all dem Rum, der in jener Nacht floss, bekamen meine Männer nicht viel mit. Inzwischen dürfte er schon einen großen Teil des Weges hinter sich haben.«
»Ist Lord Griffin noch an Bord?«, fragte Sophia.
»Nein. Heute Morgen haben ihn Soldaten abgeholt. Ich hoffe nur, dass die Königin tatsächlich gnädig mit ihm umgeht.«
»Captain Gordon, können Sie mir vergeben, dass ich …?«
Er hob die Hand. »Schon vergessen.« Und nach einem Blick auf die Salisbury fügte er hinzu: »In einer Hinsicht hatten Sie recht. Was ich in jener Nacht tat, geschah nicht nur aus Pflichtbewusstsein, sondern für Sie.«
Dass ein Mann Existenz und Leben für sie riskierte, obwohl er wusste, dass sie seine Liebe nicht erwidern konnte, rührte Sophia. Leise sagte sie: »Es tut mir leid.« Und beiden war klar, dass sie damit nicht nur die ungerechtfertigten Anschuldigungen meinte.
»Keine Ursache«, antwortete Captain Gordon, ganz Gentleman. »Offen gestanden, bewundere ich Ihren Mut, hierherzukommen und mich zur Rede zu stellen. Bestimmt wären Sie auch von Slains angereist, wenn Sie es für nötig gehalten hätten.«
»Möglich.«
»Aber es freut mich, dass Sie nicht im Norden sind.« Er schenkte zwei Gläser Bordeaux ein. »Nicht nur, weil ich Ihren Besuch genießen durfte, sondern auch, weil die Engländer einen hohen Preis für das fordern werden, was sich abgespielt hat.«
Sophia nahm einen Schluck Wein, um den bitteren Geschmack des Tees wegzuspülen. »Der König ist entkommen«, sagte sie. »Möglicherweise bringen ihn seine Schiffe nach Norden, um eine bessere Stelle zum Landen zu suchen.«
»Vielleicht. Aber wenn das misslingt, stehen uns schwere Zeiten bevor, und es ist besser für Sie, wenn Sie nicht in Slains sind.«
Graham wandte mir im Halbschlaf das Gesicht zu. »Lord wer?«
»Lord Griffin. Er war, glaube ich, auf der Salisbury . Ein betagter Engländer, der in Saint-Germain gelebt hatte …«
»Ach, der.« Graham legte den Arm um meine Taille. »Was möchtest du über ihn wissen?«
»Was mit ihm passierte, nachdem die Engländer ihn gefangen genommen hatten. Wurde er wegen Hochverrats angeklagt?«
»Aye, und verurteilt.«
»Man hat ihn geköpft?«
»Nein. Einige Minister wollten das, doch Queen Anne hörte nicht auf sie. Er blieb bis zu seinem Lebensende ihr Gefangener, aber zumindest wurde
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