Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
heimlich mein Buch gelesen.«
»Nein. Warum?«
»Weil mein Held darin fast das Gleiche sagt.«
»Dein Held … Oje, fast hätt ich’s vergessen. Nein, da ist es ja.« Er zog einen langen Umschlag aus der Innentasche seiner Jacke. »Das habe ich über die Morays herausfinden können. Viel ist es nicht, nur der Familienstammbaum mit den Geburts-, Sterbe- und Heiratsdaten, wenn dir das was nützt.«
Ich bedankte mich.
»So sicher bin ich mir nicht mehr, ob ich dieser John Moray sein möchte«, sagte er. »Er …«
»Nein, verrat’s mir nicht.«
Ich bückte mich, um das Kuvert in meine Tasche zu stecken. Was aus Moray geworden war, würde ich noch früh genug erfahren.
20
Zwei Sommer zogen ins Land, ohne dass von Saint-Germain Pläne laut geworden wären, den König erneut zurück nach Schottland zu bringen.
Doch der Duke of Perth versicherte seiner Schwester regelmäßig jeden Monat brieflich, dass das Vorhaben nur ruhe. Die schottischen Adeligen und der französische König in Versailles stünden nach wie vor in regem Kontakt, und der junge King James scheine entschlossener denn je zu einer Auseinandersetzung. Er habe sogar die Absicht erklärt, selbst in das Geschehen in Flandern einzugreifen. »Obwohl möglicherweise Frieden sein wird, bevor er dazu Gelegenheit erhält«, schrieb der Duke of Perth in seinem letzten Brief Ende August.
Sophia hätte sich Frieden gewünscht. Die mögliche Enttäuschung des jungen Königs kümmerte sie weniger als die Tatsache, dass Moray wieder mit seinem Regiment in Flandern kämpfte. Jeden Tag, den der Krieg andauerte, wuchs ihre Sorge um ihn.
Nach einer besonders unruhigen Nacht hatte Kirsty zu Sophia gesagt: »Ein Stündchen mit deiner kleinen Anna würde dir guttun.« Und schon am Nachmittag war Kirstys Schwester mit ihren Kindern und Anna im Salon eingetroffen. Ein Außenstehender hätte wohl kaum vermutet, dass Anna nicht zu dieser Familie gehörte.
Man hatte Anna auf Anraten der Countess nur wenige Tage nach Sophias Rückkehr mehr als ein Jahr zuvor zu Kirstys Schwester gebracht, und bis zum heutigen Tag wusste kein Fremder, dass Anna Morays Kind war. »Das ist der Vorteil eines abgeschiedenen Lebens«, hatte Kirstys Schwester Sophia bemerkt. »Meine Nachbarn sind daran gewöhnt, dass ich jedes Jahr ein Kind kriege. Sie würden gar nicht auf die Idee kommen, dass sie nicht von mir ist.«
»Ja, aber Ihr Mann …«
»… würde der Countess jeden Wunsch erfüllen, und zwar gern. Machen Sie sich keine Gedanken. Bei uns ist sie bis zur Rückkehr Ihres Mannes gut aufgehoben.«
So wuchs Anna zu einem fröhlichen kleinen Mädchen heran, das Sophia oft besuchte, ohne diese »Mama« zu nennen.
Dazu war später noch Zeit genug, das wusste Sophia.
Viel konnte sie in der Kleinen nicht von sich selbst entdecken – Augen, Haar und Energie stammten von Moray, an den Sophia bei jedem Treffen erinnert wurde.
Als Kirstys Schwester an einem sonnigen Herbsttag wieder einmal mit den Kindern zu Besuch kam und Anna am Strand mit Hugo um ein Stöckchen rang, hörte Sophia plötzlich Kirsty neben sich auf den Dünen. »Kein gerechter Kampf«, bemerkte diese. »Der Hund ist viel stärker als sie.«
»Trotzdem wird sie ihn kleinkriegen«, erwiderte Sophia lächelnd.
»Aye, sieht fast so aus. Sie schafft einfach alles«, pflichtete Kirsty ihr bei. »Sogar meinen Rory hat sie dazu gebracht, im Stall für sie das Pferd zu spielen, und das, obwohl er immer sagt, er hat keine Zeit für Kinder und mag sie auch nicht.«
»Vielleicht hat er seine Meinung geändert«, sagte Sophia, »und er möchte jetzt doch eine Familie gründen, so, wie du dir das wünschst.«
»Rory? Nie und nimmer.«
»Sag niemals nie«, widersprach Sophia. Da erklang fröhliches Kreischen vom Ufer, wo es Anna tatsächlich gelungen war, Hugo das Stöckchen zu entwinden, mit dem sie jetzt fortzulaufen versuchte. Wieder einmal erinnerte die Kleine sie an Moray, an den Tag, als er im Wasser barfuß nach dem kleinen Stein mit dem Loch in der Mitte gesucht hatte.
Sie füllte ihre Hand mit Sand und ließ ihn durch die Finger rieseln, während sie aus Gewohnheit den Horizont nach Segeln absuchte, konnte aber nichts entdecken außer Schaumkronen und Gischt der sich am Strand brechenden Wellen.
»Vielleicht erfahren wir heute etwas Neues aus Frankreich«, versuchte Kirsty, sie zu trösten. »Die Countess hat einen Brief bekommen.«
»Ach ja? Wann denn?«
»Als ich rausgegangen bin.«
»Bestimmt
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