Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
hätte.
21
Sophia betrachtete ihr blasses Gesicht im Spiegel, während Kirsty die drei neuen Kleider aus feinstem Stoff sortierte, die auf Anweisung der Countess geliefert worden waren. »Es ist höchste Zeit, dass ich mich um deine Garderobe kümmere«, hatte sie gesagt. »Das hätte ich gleich nach deiner Ankunft tun sollen. Eine Perle mag zwar in der schlichten Auster glänzen, aber ihre Schönheit kommt am besten in einem Samtkästchen zur Geltung.«
Kirsty wählte für sie ein taubengraues Gewand aus Seide sowie ein Unterkleid mit Spitzenbesatz, der am Ausschnitt, am Saum sowie an den breiten, an den Ellbogen geknöpften Ärmeln hervorlugte.
Sophia wirkte schmaler als früher, fast schon ausgezehrt. Obwohl sie in der Öffentlichkeit keine Trauerkleidung tragen konnte, stand ihr der Verlust deutlich ins Gesicht geschrieben, und selbst diejenigen im Haushalt, die die Wahrheit nicht kannten, sahen, dass Mistress Paterson litt. Sie glaubten, ihre geplante Abreise sei krankheitsbedingt, und sie wolle sich in ein milderes Klima begeben.
»Du bleibst doch noch bis Weihnachten, oder?«, hatte Kirsty gefragt.
»Ich möchte vor dem ersten Schnee hier weg sein. Du bist doch sowieso beschäftigt, jetzt, wo Rory endlich zur Vernunft gekommen ist.«
Kirsty errötete.
»Wann heiratet ihr? Habt ihr euch schon auf einen Termin geeinigt?«
»Im Frühjahr. Der Earl überlässt Rory ein Cottage am Bach. Es ist ziemlich klein und renovierungsbedürftig, aber bis zum Frühling, denkt Rory, wird es fertig sein.«
»Dann kriegst du dein Cottage also doch noch«, sagte Sophia lächelnd. »Ich freu mich so für dich.«
»Ich wünschte, du könntest bei der Hochzeit dabei sein.«
»Die Countess schildert sie mir bestimmt in einem Brief. Und«, versprach Sophia, »ich schicke dir das schönste Geschenk, das ich in ganz Kirkcudbright finden kann.«
»Willst du wirklich zurück, nach allem, was du dort durchlitten hast?«
»Ich habe in Kirkcudbright nicht gelitten.«
Als die Countess bei Freunden und Verwandten angefragt hatte, ob sie einen geeigneten Ort für Sophia wüssten, war die Duchess of Gordon auf den Plan getreten, die trotz ihrer Sympathien für den König im Exil von den Presbyterianern im Westen sehr geachtet wurde. Sophia hatte nun das Gefühl, dass sich für sie der Kreis an jenem Ort schloss, wo ihr Leben begonnen hatte. »Schlecht ist es mir nur im Haus meines Onkels ergangen, und das war nicht in Kirkcudbright selbst, sondern nördlich davon.«
»Aber das ist so weit weg.« Um einen fröhlicheren Tonfall bemüht, fügte Kirsty hinzu: »Hoffentlich werden die Bediensteten, die dich begleiten, mit den ganzen Knöpfen hier fertig.«
»Bedienstete?«, fragte Sophia.
»Aye. Die Countess sorgt für ein richtiges Gefolge. Die Leute in Kirkcudbright werden dich für die Königin höchstpersönlich halten.« Nachdem Kirsty den letzten Knopf geschlossen hatte, wandte sie den Blick vom Spiegel ab. »Ich muss deine Kleidung fertig machen, sie werden sie bald holen.«
Im Vergleich zu den neuen wirkten Sophias alte Gewänder trist. Kirsty breitete sie aus und glättete sie, und besonders vorsichtig schien sie mit dem einfachen, früher einmal lilafarbenen Kleid umzugehen, das mittlerweile zu einem fahlen Lavendel ausgeblichen war und das Sophia immer so gern getragen hatte. Sophia musste an die damit verbundenen Erinnerungen, an den Ausritt mit Moray, denken.
»Möchtest du das?«, fragte sie Kirsty, die überrascht den Blick hob.
»Aber das ist doch dein Lieblingskleid.«
»Wem würde es dann besser anstehen als meiner besten Freundin? Vielleicht hilft es dir, dich an mich zu erinnern, wenn ich weg bin.«
»Das tue ich auch ohne das Kleid«, erwiderte Kirsty, den Tränen nahe. »Danke. Ich werde es wie einen Schatz hüten.«
»Noch etwas«, sagte Sophia und holte das mit Blumenmuster bestickte Nachthemd von Kirsty hervor.
»Das nehm ich nicht«, sagte Kirsty mit fester Stimme. »Das hab ich dir geschenkt.«
»Ich weiß.« Sophia ließ die Hand darüber gleiten. »Es ist nicht für dich, sondern für Anna.« Sie faltete das Nachthemd. »Etwas anderes kann ich ihr nicht dalassen. Ich hoffe, dass sie nie die Wahrheit erfahren wird und weiter deine Schwester für ihre Mutter hält, aber wer weiß schon, was die Zukunft bringt. Falls sie jemals herausfinden sollte, wer sie wirklich ist, muss sie wissen, wie wichtig sie mir immer sein wird.«
»Sophia …«
»Wenn sie alt genug zum Heiraten ist,
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