Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
gibst du es ihr wie mir damals.« Sophia hielt Kirsty das Nachthemd hin. »Bitte.«
Kirsty nahm es zögernd. »Na schön, für Anna. Wie kannst du es ertragen, von hier fortzugehen«, fragte sie, »ohne dass sie erfährt, wer du bist?«
»Ich liebe sie und möchte sie nicht traurig machen. Sie ist bei deiner Schwester aufgewachsen, hält die anderen Kinder für ihre Geschwister und den Mann deiner Schwester für ihren Vater. Anna hat eine Familie und ist zufrieden. Könnte ich ihr denn etwas Besseres bieten?«
»Wenn Mr. Morays Familie über sie Bescheid wüsste, würde sie für sie sorgen, da bin ich mir sicher.«
Darüber hatte Sophia auch schon nachgedacht. Schließlich besaß sie Morays Ring und sein Versprechen, dass seine Verwandten ihr beistehen würden, wenn sie sie darum bäte. Aber am Ende hatte sie beschlossen, ihr Geheimnis nicht zu offenbaren und sich nicht an die Abercairneys zu wenden. »Ich will sie nicht aus der ihr vertrauten Familie reißen und sie zu Fremden geben.«
»Aber es wären ihre Verwandten.«
»Das bedeutet nicht unbedingt, dass sie gut behandelt wird. Vergiss nicht, dass auch ich von Verwandten großgezogen wurde. Außerdem brauche ich mir keine Sorgen zu machen, wenn sie hier ist. Falls deiner Schwester etwas passieren sollte, gibt es immer noch die Countess und dich, die sich um sie kümmern würden wie um ihr eigenes Kind.«
»Aye, das würde ich«, bestätigte Kirsty.
»Es wäre selbstsüchtig von mir, ihr das zu nehmen für eine unsichere Zukunft mit einer Mutter, aber ohne Vater.«
»Aber du bist jung wie ich«, widersprach Kirsty. »Vielleicht lernst du einen anderen Mann kennen, und dann könnte Anna …«
»Nein«, widersprach Sophia. »Ich werde keinen anderen mehr heiraten wollen.«
»›Sag niemals nie‹, hast du mir einmal geraten.«
Inzwischen wusste Sophia, dass es tatsächlich Dinge gab, die sich nicht ändern ließen. Morays Schiff würde nie kommen, und sie würde nie mehr seine Berührung spüren oder seine Stimme hören.
Sie rang sich ein Lächeln ab, weil sie Kirsty nicht noch trauriger machen wollte, als sie ohnehin schon war.
Außerdem standen nun andere Abschiede bevor.
Heute schien keine Sonne durch die vom eisigen Regen der Nacht gesprenkelten Fenster; der Wind heulte um die Mauern, und der kleine Kamin schaffte es nicht, den Raum zu erwärmen.
Davor wartete das Schachbrett mit den Holzfiguren, das Sophia daran erinnerte, dass sie keine Nachricht von Colonel Graeme hatte, nicht wusste, ob er in Malplaquet verwundet oder gefallen war. Sie wandte sich den Regalen zu, um eines der Bücher herauszuholen, die Moray während seines Aufenthalts in Slains gelesen hatte, Drydens König Arthur oder Britanniens Würde .
Da hörte sie, wie sich leise die Tür zur Bibliothek öffnete und wieder schloss, dann das Rascheln eines Kleids.
»Was liest du denn da?«, fragte die Countess. Und mit einem Blick auf den Umschlag fügte sie hinzu: »Du scheinst mir die Einzige zu sein, die dieses Buch je in die Hand genommen hat. Nimm es mit, wenn du es möchtest.«
Sophia drückte es fest gegen die Brust und bedankte sich.
»Keine Ursache. Such dir ruhig noch ein paar andere aus.« Die Countess ließ den Blick über die Regale schweifen. »Die Duchess of Gordon sagt, sie hätte dich bei einer der besten Familien Kirkcudbrights untergebracht, aber die Leute sind und bleiben Presbyterianer und lesen nur religiöse Schriften.« Sie holte ein paar Bände aus den Fächern und stapelte sie neben dem Schachbrett.
»Vielen, vielen Dank.«
»Dachtest du denn, ich würde dich ohne irgendetwas auf die lange Reise schicken?« Sie richtete mit gesenktem Blick die Bücher aus. »Bist du nach wie vor entschlossen, sie anzutreten? Du könntest es dir noch anders überlegen.«
Sophia versuchte zu lächeln. »Den Bediensteten, die seit Tagen Vorbereitungen dafür treffen, wäre das sicher nicht recht.«
»Niemand hier möchte, dass du gehst. Im Gegenteil: Alle würden sich freuen, wenn du in Slains bliebest.« Sie sah sie an. »Ich auch.«
»Ich wünschte, ich könnte es«, erwiderte Sophia traurig. »Aber hier erinnert mich zu viel an ihn.«
»Verstehe.« Die Countess nickte. »Aber möglicherweise können diese Erinnerungen dich irgendwann noch trösten. Mit der Zeit wird es leichter, glaube mir.«
Da hörten sie draußen auf dem Flur Schritte, und jemand klopfte leise an der Tür.
»Fühlst du dich stark genug?«, fragte die Countess.
Sophia biss sich auf die Lippe
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