Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
seine Hand, bevor sie in Richtung Küchentür hastete.
Hinter sich hörte sie noch einmal Hooke rufen, und wenig später vernahm sie Morays Schritte auf dem Gartenpfad. »Ich bin hier«, sagte er. »Ist alles bereit?«
Sophia rannte durch die Küche, an Mrs. Grant und Kirsty vorbei, zu ihrem Zimmer.
Von dort aus sah sie das Licht des Mondes auf dem Wasser und darüber dunkel die hohen Masten der Heroine , deren Segel gerade gehisst wurden.
Weinen hatte keinen Sinn, das wusste sie. Ihr war klar, dass Moray sie verlassen musste, sie verstand seine Beweggründe. Und sie hatte seinen Ring, seinen Liebesbrief und sein Versprechen, dass er zu ihr zurückkehren würde.
Trotzdem löste sich, als sich die Segel der Fregatte mit Wind füllten, eine Träne aus ihrem Auge und rollte ihre Wange hinunter.
Eine weitere folgte. Und noch eine.
Weinen half tatsächlich nicht.
Denn nun war sie allein.
Fünfzehn
Als ich am Nachmittag bei Dr. Weir vorbeischaute, stutzte er gerade die Büsche im Garten.
»Sie haben sich in den letzten Tagen ziemlich rar gemacht«, begrüßte er mich. »Waren Sie weg?«
»In gewisser Hinsicht schon. Ich war in Slains, vor dreihundert Jahren. Und weil meine Figuren jetzt von Spionen zu reden beginnen, komme ich zu Ihnen.«
»Och, aye?«
»Zum Beispiel von Daniel Defoe.«
»Ah.« Er richtete sich auf. »Da kann ich Ihnen vielleicht tatsächlich weiterhelfen, sobald ich nachgesehen habe, wie schlimm der Fliederbusch heute Nacht vom Sturm erwischt worden ist.«
Ich folgte ihm zu dem kahlen, ziemlich hohen Busch vor einem Fenster des Hauses.
»Viel Glück hatte ich bisher nicht damit. Eigentlich sollte er bedeutend kräftiger sein, fast wie ein Baum, aber er will einfach nicht richtig wachsen.«
Die Rinde fühlte sich glatt an unter meinen Fingern und erinnerte mich an die Abschiedsszene zwischen Moray und Sophia. »Ich muss gestehen, dass ich den Geruch von Flieder nicht sonderlich leiden kann. Bisher wusste ich nicht, warum, doch jetzt glaube ich, die Antwort gefunden zu haben.«
»Ach?« Der Arzt wandte sich mir mit interessiertem Blick zu. »Und wie lautet sie?«
Ich erzählte es ihm.
»Ja«, sagte er, »Gerüche lösen oft Erinnerungen aus.«
»Ich weiß.« Der Duft von Pfeifentabak zum Beispiel versetzt mich in meine Kindheit zurück, in das kleine Arbeitszimmer meines Großvaters. Dort hatte er mir das erste Mal von dem kleinen Stein mit dem Loch in der Mitte erzählt, der mich vor allem Übel schützen würde.
»Was wird in Ihrem Buch aus dem Soldaten?«, erkundigte sich Dr. Weir.
»Das weiß ich noch nicht. Allerdings kann er in der Realität nicht nach Slains zurückgekehrt sein, weil die echte Sophia drei Jahre später wieder in Kirkcudbright war und meinen Vorfahren heiratete.«
Dr. Weir zuckte mit den Achseln. »Es waren gefährliche Zeiten. Höchstwahrscheinlich ist er auf dem Kontinent gefallen.«
»Nicht eher 1708, bei dem Invasionsversuch?«
»Ich glaube nicht, dass damals irgendjemand umgekommen ist.« Stirnrunzelnd versuchte er sich zu erinnern. »Natürlich müsste ich das erst nachlesen …«
Schade, dachte ich, denn das wäre eine hübsche romantische Wendung für mein Buch gewesen.
Dr. Weir richtete sich auf. »Kommen Sie doch mit rein auf eine Tasse Tee und sagen Sie mir, was Sie über Daniel Defoe erfahren möchten.«
Elsie Weir hatte eine eindeutige Meinung über den Verfasser von Klassikern wie Robinson Crusoe oder Moll Flanders . »Er war ein hinterlistiges Wiesel«, sagte sie.
Der Arzt nahm einen Keks von dem Teller, den sie ihm hinhielt, und rügte sie: »Elsie.«
»Douglas, du hast ihn selbst so genannt.«
»Aye …« Der Arzt lehnte sich auf seinem Sessel zurück und legte den Keks auf seinem Teller ab. Die Vorhänge waren weit geöffnet, um das Sonnenlicht hereinzulassen, das meine Schultern wärmte, als ich mich von meinem Platz bei den Bücherregalen aus vorbeugte, um ebenfalls einen Keks zu nehmen.
»Daniel Defoe«, erklärte Dr. Weir, »tat nur das, was er für richtig hielt. Das ist das Motiv der meisten Spione.«
Elsie setzte sich neben mich. »Meiner Ansicht nach wollte er bloß seine Haut retten und ordentlich Geld kassieren.«
Der Arzt lächelte belustigt. »Sie weigert sich sogar, seine Bücher zu lesen.«
»Stimmt«, bestätigte Elsie.
»Obwohl der Mann inzwischen zu lange tot ist, um noch von den Tantiemen profitieren zu können«, sagte Dr. Weir. »Defoe unterstützte King William und war kein Freund der Jakobiten.
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