Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
Schwester Anna war es auch so gewesen, als das Kind in ihrem Bauch zu wachsen begann.
Kirsty strich mit ihrer kühlen Hand über Sophias Stirn. »Es wird dir nicht die ganze Zeit so schlecht gehen.«
Sophia wandte den Blick ab. »Was soll ich bloß machen?«
»Kannst du es der Countess nicht sagen?«
»Ich hab ihm versprochen, nichts zu verraten.«
»Noch ein paar Monate, dann dürfte es dir schwerfallen, dieses Versprechen zu halten«, entgegnete Kirsty trocken.
»In ein paar Monaten ist das vielleicht auch nicht mehr nötig«, erwiderte Sophia, denn dann wären der König und Moray in Schottland, und sie müssten ihre Verbindung nicht länger geheim halten.
»Wollen wir hoffen, dass du recht hast. Ich frage meine Schwester, ob sie irgendwelche Tränke kennt, die dir diese schwere Zeit erleichtern können.«
Sophia legte schützend die Hand auf ihren Bauch. »Tränke?« Sie erinnerte sich gut an Annas Qualen und die schreckliche Alte mit ihren Fläschchen. »Ich nehme keine Medizin, um dem Kleinen nicht zu schaden.« Seinem Kind, diesem Teil von ihm in ihr, der ihr Trost spendete.
»Dem Kleinen passiert nichts«, versicherte Kirsty ihr. »Meine Schwester hat das öfter durchgemacht als die meisten anderen Frauen, und alle ihre Kinder sind kerngesund zur Welt gekommen. Sie kennt sich aus und wird dir helfen.«
Sophia spürte eine weitere Welle der Übelkeit heranrollen.
Kirsty stand auf. »Ich schick ihr eine Nachricht. Vielleicht schafft sie es zu kommen, bevor die Countess wieder da ist.«
Noch vor Einbruch der Nacht brachte Kirstys Schwester Sophia getrocknete Kräuter für einen Tee. »Der lindert die Übelkeit, damit du wieder ein bisschen Appetit bekommst.«
Am nächsten Morgen fühlte sich Sophia gut genug, um aufzustehen, sich anzuziehen und ihren Platz bei Tisch einzunehmen. Es gelang ihr, ein wenig zu essen, und anschließend zog sie sich in einen sonnigen Winkel der Bibliothek zurück, um den Vormittag lesend zu verbringen.
Hier glaubte sie fast, die Gegenwart Morays zu spüren, der dieselben ledergebundenen Bücher in Händen gehalten hatte. Sie ließ die Finger übers Papier gleiten. Noch ein paar Wochen, dachte sie, vielleicht ein Monat, dann würde der König in Schottland eintreffen.
In Slains wurde von nichts anderem mehr gesprochen. Den ganzen Sommer über herrschte Betriebsamkeit wie am königlichen Hof. Am Esstisch wimmelte es von fremden Gesichtern, von Männern, die weit gereist waren, um Botschaften von Adeligen im hohen Norden und in den Highlands zu überbringen.
Diese wagten es nicht, selbst zu kommen, weil eine Jakobitenversammlung die Aufmerksamkeit der Königin erregt hätte. Es war allgemein bekannt, dass der englische Hof ohnehin schon argwöhnisch nach Norden blickte. Nach Ansicht der Countess war das kein Zufall, und so bat sie alle, die sich in Slains einfanden, ihr Handeln vor dem Duke of Hamilton geheim zu halten. »Wenn er sich benimmt wie ein Wolf unter Schafen«, sagte sie, »sollten wir ihn in dem Glauben lassen, dass wir tatsächlich Schafe sind.«
»Mutter, du magst vieles sein, aber niemand, der dich kennt, würde dich für ein Schaf halten«, sagte der Earl lächelnd.
Sophia war ganz seiner Meinung. Die Countess hatte in diesem Sommer nicht nur ihren scharfen Verstand bewiesen, sondern auch eine körperliche Ausdauer, mit der Sophia trotz ihrer Jugend nicht hätte mithalten können. Die Countess machte sich jeden Tag nach wenigen Stunden Schlaf an die Arbeit, spielte Gastgeberin und verfasste zahllose Briefe. Es gab keine Nacht, in der das Licht in ihrem Zimmer nicht noch lange nach allen anderen gebrannt hätte.
»Mein Gott!«, hatte sie vergangene Woche ungeduldig ausgerufen, als sie mit Sophia am großen Erkerfenster im Salon stand. »Wo bleiben sie nur? Wenn sie nicht bald kommen, ist der Augenblick vertan.«
Doch auf dem Meer waren keine Schiffe aufgetaucht, die Neuigkeiten aus Saint-Germain gebracht hätten.
Auch heute würde sich nichts Wichtiges ereignen, da die Countess und ihr Sohn noch beim Earl of Marischal in Dunottar weilten. Was bedeutete, dass alle in Slains einen Ruhetag hatten. Sophia las, bis sie müde wurde und einschlief.
»Sophia, wach auf«, hörte sie irgendwann Kirsty, die an ihrer Schulter rüttelte.
Sophia zwang sich, die Augen zu öffnen. »Wie spät ist es?«
»Nach Mittag. Besuch für dich.«
»Wer?«
»Kein Geringerer als der Duke of Hamilton. Er ist mit der Kutsche von Edinburgh hierhergekommen.«
»Er will sicher
Weitere Kostenlose Bücher