Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
Fenster hinaussah. Nach einer Weile runzelte er die Stirn. »Was macht er denn jetzt?«, fragte er.
»Er entfernt sich«, sagte seine Mutter.
Hooke straffte die Schultern. »Was?« Er erhob sich, um selbst hinauszuschauen. »Tatsächlich.«
Nun traten alle ans Fenster, um sich mit eigenen Augen zu vergewissern.
Moray entdeckte das andere Schiff, ebenfalls eine Fregatte, die sich ihnen aus südlicher Richtung näherte, als Erster.
»Das ist bestimmt Captain Hamilton, von dem Gordon uns bei seinem letzten Aufenthalt erzählt hat«, sagte die Countess. »Captain Hamilton gilt nicht als Freund der Jakobiten. Das erklärt, warum Gordon nicht an Land gekommen ist.«
Als die zweite Fregatte Slains passierte, war die Flagge der vereinigten britischen Marine deutlich zu erkennen.
Der Earl of Erroll wandte sich als Erster vom Fenster ab. »Immerhin wissen wir jetzt, wo die Fregatten sich aufhalten; vermutlich bleiben uns noch ein paar Tage bis zu ihrer Rückkehr. Nun hat Monsieur de Ligondez mit ziemlicher Sicherheit freie Bahn.«
Die Einzige, die das nicht mit Erleichterung aufnahm, war Sophia.
Sie erwachte, als eine Hand sie an der Schulter rüttelte.
»Sophia!«, hörte sie die Stimme der Countess. »Sophia!«
Sie schlug verwirrt die Augen auf und vergewisserte sich hastig, dass Moray nicht mehr neben ihr lag, bevor sie sich aufrichtete.
Die Sonne konnte noch nicht lange aufgegangen sein, weil sie ziemlich tief am Himmel stand. »Was ist?«
»Das französische Schiff …«
Erst jetzt fiel Sophia auf, dass die Countess bereits voll bekleidet war. Sophia trat ans Fenster, von wo aus sie die hohen Masten der Heroine erkannte.
»Zieh dich an«, sagte die Countess, »und komm nach unten. Wir werden eine letzte gemeinsame Mahlzeit einnehmen, bevor wir Colonel Hooke und Mr. Moray eine gute Reise wünschen.«
Sophia nickte, blieb aber wie versteinert am Fenster stehen, als könnte sie so das Eintreffen des französischen Schiffs hinauszögern.
Sie war so sehr auf die Heroine konzentriert, dass sie fast das Schiff von Captain Hamilton nicht wahrgenommen hätte, das heranglitt wie ein räuberischer Hai.
Offenbar hatte auch Monsieur de Ligondez es bemerkt, der wusste, dass er keinen freundlichen Willkommensgruß zu erwarten hatte. Französische Schiffe vor der schottischen Küste waren für Männer wie Captain Hamilton eine verlockende Beute. Mit angehaltenem Atem beobachtete Sophia, wie die Heroine ein Wendemanöver begann. Schneller , dachte sie, schneller .
Doch Captain Hamilton holte auf. Nicht mehr lange, dann befände er sich in Schussweite.
Sophia umfasste das Fensterbrett so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.
Da begann sich etwas auf der Heroine zu tun. Die Flaggen an Fock- und Besanmast wurden eingeholt und durch die holländische sowie die alten schottischen Farben blau und weiß ersetzt – das zwischen Monsieur de Ligondez und Gordon vereinbarte Signal, damit die Schiffe einander erkannten, wenn sie sich begegneten.
Doch das Schiff, das nun seine Kanonen auf die französische Fregatte richtete, unterstand nicht dem Kommando von Captain Gordon, sondern dem von Captain Hamilton.
Ohne den Flaggenwechsel zu beachten, steuerte Hamilton mit unverminderter Geschwindigkeit auf die Heroine zu.
Und da erklang auch schon Kanonendonner.
Sophia zuckte zusammen.
Zum Glück segelte die französische Fregatte offenbar unbeschädigt weiter. In dem Augenblick tauchte ein drittes, größeres Schiff mit geblähten Segeln auf. Wieder hörte Sophia Kanonen, diesmal von dem Neuankömmling, der es nicht auf Monsieur de Ligondez abgesehen hatte, sondern auf die offene See hinauszielte.
Das war Captain Gordon, dessen Plan Sophia erst begriff, als Captain Hamilton widerwillig abdrehte.
Der Schuss war ein Signal für Hamilton gewesen, die Verfolgung aufzugeben. Wie Captain Gordon das seinem Kollegen erklären würde, konnte sie sich nicht vorstellen.
Sein Schiff segelte vor Slains vorbei in Richtung Süden wie das von Captain Hamilton, während draußen auf offener See die weißen Segel der Heroine tanzten.
»Man wird uns hören, John.«
»Nein.« Er stellte sich unter den dichten Blüten eines duftenden Fliederbuschs an der Gartenmauer so vor sie, dass sie vor den Blicken Dritter geschützt war.
Vor den Klippen wartete die Heroine . Wenn es ganz dunkel wäre, würde ein Boot Hooke und Moray abholen.
Sophia zwang sich zu einem Lächeln. »Und was ist, wenn Colonel Hooke nach dir sucht?«
»Lass ihn
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