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Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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ihres Anführers blieb für sie unerreichbar.Zeppelin raste davon, die Böschung hinunter. Neben der Brücke setzte er über den Graben, sauste die gegenüberliegende Böschung hinauf und verschwand.
    Joachim ging, das Traben hatte er eingestellt, langsam auf die Brücke und ihre Bewacher zu. Ich holte auf, marschierte hinter meinem Bruder im Gleichschritt. Wie würde er sich entscheiden? Würden wir Zeppelins Beispiel folgen und über den Bach springen? Würden wir umdrehen und weglaufen? Fast wünschte ich das. Wenn die Ehre nicht gewesen wäre. Ehrenvoll das Kommende durchstehen, eine andere Möglichkeit, ahnte ich, gab es nicht.
    Der Abstand schmolz. Schon konnte ich, wie es in den Groschenheften hieß, die wir damals verschlangen, »das Weiß im Auge des Feindes« sehen. Wir gingen weiter.
    Jetzt betrat Joachim die Brückenbohlen. Wilfried Wumme und seine Mannen blickten uns an, reglose Gesichter. Wilfried warf seinen Zigarettenstummel hinter sich in den Bach. Wir gingen so nahe an den Feinden vorbei, daß wir sie fast streiften. Der Steg war schmal. Ich wartete auf den Faustschlag.
    Doch nichts geschah. Reglos verharrten unsere Feinde. Erst als Joachim den letzten Brückenwärter passierte, griff dieser blitzschnell in Joachims Gesicht und riß ihm die Brille von der Nase. Joachim blieb stehen, plötzlich, so daß ich gegen ihn rannte. Der Feind schwenkte Joachims Brille an einem Bügel, wie man einen Knochen vor einer Hundenase schwenkt. Ich rechnete damit, daß Joachim nach seiner Brille griff. Gleichzeitig hoffte ich, er würde es nicht tun, sich keine Blöße geben, die unsere Ehre beeinträchtigen könnte.
    Half mein Wünschen? Joachim stand regungslos, ich hautnah hinter ihm. Er mußte meinen Atem im Nacken spüren. Der Junge hielt die Brille, sie tanzte vor Joachims Gesicht. In diesem Augenblick sagte Wilfried mit gefährlich ruhiger Stimme:
    »Gib sie ihm wieder.«
    Der Junge lachte, in schrillem Ton. Dann warf er die Brille in den Graben.
    Wir drehten uns um. Wilfried kam auf uns zu. Er ging mitwiegendem Schritt, so, wie es später Gary Cooper in »Zwölf Uhr mittags« demonstrierte. Der Junge lachte wieder, aber nun leise, verlegen.
    Einen Schritt vor uns blieb Wumme stehen. »Hol die Brille«, sagte er zu seinem Kumpel. Der zuckte mit den Achseln. Die Hände in seine Taschen gebohrt, ging er zum Ende des Stegs. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er die Böschung hinabkletterte.
    Wumme sah uns nicht an. Sein Blick blieb auf die Brückenbohlen geheftet.
    Sein Kumpel kam zurück. Reichte Joachim die Brille. Sie war mit Schlamm beschmiert, ein Glas war zerbrochen. Joachim nahm sie mit einer Handbewegung, in der größtmögliche Zurückhaltung lag, als traue er dem Frieden nicht.
    Jedoch verlief die Übergabe reibungslos. Ich stubste Joachim in den Rücken. Wir setzten unseren Weg fort. Wir drehten uns nicht um, hörten, wie Wumme und seine Kumpane abzogen, sie trampelten über die Bohlen der Brücke nach der anderen Seite, dort führte ein Weg in die Kolonie. Einer von Wummes Begleitern sang: »Wie oft sind wir geschritten – auf schmalem Negerpfad…«
    Nach einer Weile blieb Joachim stehen, ich ebenfalls. Mein Bruder zog sich einen Hemdzipfel aus der Hose und rieb an dem heilen Glas der Brille. »Verdammte Obermückenscheiße«, sagte er. »Das Nasenfahrrad ist im Eimer.« Wieder einmal griff er hoch bei der Wahl seiner Worte.
    Ich überlegte: Warum hatten die Tausendschönchen, wie wir die Kinder aus der Laubenkolonie nannten, uns nicht verprügelt? Warum hatten sie uns nicht in den Graben geworfen? Warum uns nicht – für diese Spezialität waren sie bekannt – an die nächste Akazie gefesselt? Kaum jemand benutzte den Weg, es hätte Stunden gedauert, bis wir gefunden worden wären.
    »Warum haben sie uns nicht verkloppt?« fragte ich Joachim.
    »Weiß nicht«, brummte mein Bruder. Er hatte die kaputte Brille aufgesetzt, sah mich durch das immer noch verschmierte eine Glas an. »Vielleicht heben sie sich das auf. Für den Winter.«
    Es wunderte mich nicht, als er sagte: »Dies ist kein Tag fürs Schützenhaus. Gehen wir nach Hause.«
    Ich nickte. »Aber den Umweg. Wo ist Zeppelin?«
    Wir pfiffen. Zeppelin brach aus einem Gebüsch, mit Gras und Kletten behängt. Sein Schwanzwedeln drückte höchste Unschuld aus, als erwarte er, daß wir ihn lobten, ihm ein »Brav, lieber Hund« entgegenschmetterten. Statt dessen rief Joachim: »Ratte!«
    Zeppelin zog die Lefzen hoch. Ich glaube, er lachte uns

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