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Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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wir diesen Erzählungen, über unsere Spiele mit Anneli hinweg. Was faszinierte uns daran?
    Heute erzähle ich selber Geschichten aus dem Krieg, dem nächsten allerdings, Weltkrieg zwei. Und ich ertappe mich dabei, daß ich überlege, wie das auf junge Menschen wirken muß. Sind sie fasziniert wie wir damals? Oder ist es für sie kalter Kaffee? Das Gelalle von Grufties, die sich an eine Art Kostümfest mit Zerstörung erinnern?
    Hinter Herzberg hatten wir die zweite Reifenpanne. Zeppelin kam zu einem Waldspaziergang und stöberte eine Wildsau mit Frischlingen auf. Wir konnten ihn kaum am Halsband halten. Die Sau machte Anstalten, auf uns loszugehen.
    Bei der Ortseinfahrt Lindow verließen wir die Chaussee. Der Wagen holperte einen Kiesweg entlang, rechts erstreckten sich Gärten mit Lauben und Wohnhäusern bis zum See, der von keiner Welle gekräuselt schimmerte. Links stieg eine Böschung an, ihre obere Kante begrenzte Fichten mit rötlichen Stämmen. In Abständen führten Treppen hinauf, deren Stufen mit Bretternbefestigt waren. Wir fuhren langsam. Die Gärten lagen tiefer als der Weg, von oben blickten wir auf Reihen von Gemüse. Ein Gartenweg war mit weißen Steinen eingefaßt, im Hintergrund erweiterte sich der Pfad zu einem Rondell. Dort blühten Rosen, und zwischen den Blüten schimmerten bunte Glaskugeln, groß wie Kinderköpfe.
    Meine Phantasie ging mit mir durch, ich dachte mir Annelis Abstehohren an diese Kugeln und kicherte.
    Tante Deli stupste mich mit ihrem Daumen. Ich sah, daß der Fingernagel eingerissen war.
    In diesem Augenblick hielt der Wagen. »Das Ganze – halt! Alles aussteigen«, rief Ede Kaiser.
    An einem Gartentor, über das sich ein Bogen aus Gasrohren wölbte, hingen Blütentrauben einer mir unbekannten Pflanze, das Blau dieser Blüten glich der Augenfarbe meines Vaters, jedoch war das Blau gedämpft, als habe ein Maler Deckweiß hineingerührt. Wie durch einen Rahmen sah ich das flache, mächtige Haus liegen mit seinem roten Dach und einer Glasveranda, die sich an den Seiten herumzog. Es war das einzige Haus mit einem Stockwerk an diesem Seeweg.
    Dann füllten die Gestalten Omas und Opas den Blütenrahmen, das Tor öffnete sich. Sie riefen: »Juten Tach, juten Tach!« Oma drückte uns an ihre Brust, mächtig unter ihrem Kattunkleid, Zeppelin raste zwischen unseren Beinen hindurch, am Haus bellte ein Hund. Opa rückte an seiner Mütze und sah ein bißchen wie Joachim in alt aus, der Großvater hatte den gleichen Sehfehler und trug eine ähnliche Brille.
    »Zellepiiien …«, rief Anneli. Wir flitzten ein paar Stufen hinunter und in den Garten, am Hofhund vorbei, der auf Zeppelin lossprang, aber von seiner Kette gebremst wurde und einen Salto in der Luft schlug.
    Übermannshoch wuchs hinter dem Haus das Schilf, ein schmaler Streifen zum Wasser war freigeblieben als Pfad zum Bootssteg. Auf dem Steg saß ein Mann mit braungebranntem Gesicht, eine Zigarette im Mundwinkel, und angelte. »Onkel Rudolph?« riefen wir.
    Der braungebrannte Mann grinste und nickte. Er nickte auf gründliche Art, wie ich niemals jemanden hatte nicken sehen, so, als verursache ein Motor in ihm das Auf und Ab der Kopfbewegung. Die Zigarette behielt der Onkel im Mund, senkte das Kinn abwärts, so daß die Zigarette fast seine Brust berührte. Onkel Rudolph deutete mit der Hand auf den See: »Rin ins Vergnügen!«
    Wir zogen uns aus und sprangen ins Wasser.
    Onkel Rudolph kannten wir nur von Bildern her, mit dem weißen képi der Fremdenlegion auf dem Kopf. Sein Gesicht war so dunkel wie auf den Fotos. Einwandfrei war dies unser Onkel, der aus Afrika gekommen war. Wir drehten uns um, während wir hinausschwammen, und betrachteten ihn. »Ohne Brille seh’ ich nicht viel«, prustete Joachim. »Aber mir sieht er ganz gesund aus.«
    Zeppelin meinte, er müsse Anneli retten, schwamm ihr hinterher und kratzte ihr den Rücken auf. Annelis Schreie hallten über das Wasser. Onkel Rudolph auf dem Steg lachte. Er steckte sich eine neue Zigarette an. Der blaue Rauch stieg senkrecht hoch.
    Wiederum vollführte der Hofhund einen Salto an seiner Kette und bellte und jaulte. Vom Haus kam ein Mädchen gerannt, in Annelis Alter, wir wußten: eine weitere Cousine von uns, Laura. Soeben war sie mit ihrer Mutter angekommen. Das Haus der Großeltern füllte sich, so hatte sie es gern. »Platz da!« schrie Laura. Im Laufen zog sie sich das Kleid über den Kopf und sprang mit einem Hechtsprung vom Steg ins Wasser. Onkel Rudolph bekam ein

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