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Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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Ästen, wie er sagte. Er haßte es, wenn man nicht harmonierende Baustoffe verwendete. »Bretter, wie sieht das aus«, sagte er. »Bretter sind Fremdkörper. Außerdem fällt so ein Baumhaus aus Brettern unseren Feinden auf. Hingegen – wieder so ein geschraubtes Wort –, hingegen, wir sammeln Äste, dickere und dünnere. Die dickeren sind Unterlage und Stütze. Die dünneren verflechten wir. Das ist Statik, verstehst du?« Er blickte mich an, jedenfalls wendete er mir sein Gesicht zu. Ich nickte beflissen, obwohl ich nichts verstand. Vielleicht konstruierten wir dieses Statikhaus hoch oben in der Linde. Meistens blieb es beim Pläneschmieden.
    Ich sehe uns den Kamm eines flachen Hügels entlanggehen, gegen das Sonnenlicht gleichen wir Schattenrissen. Es ist, als beobachtete ich uns von einem tiefer gelegenen Ort, und zugleich bin ich dabei, dort oben, eine winzige Gestalt gemessen an dem kolossal wirkenden Vater, der dürren, hoch aufgeschossenen Tante, sie befand sich im letzten Stadium einer Art Magersucht, ein Jahr später begann sie Fett anzusetzen. Nur Anneli war kleiner als alle, ihre Glieder, die sie hüpfend warf, sahen aus wie Stecken. Wir gingen vorbei an dem Gutshof, auf dem sich eine alte Reitbahn befand. Zeppelin verschwand, wir hörten ihn zwischen den Ställen kläffen. Anneli rief »Zellepin«, mein Vater brummte »Scheißtöle, verdammte« und blieb stehen. »Ich sag’ immer, der Hund muß an die Leine«, schimpfte meine Tante, »eines Tages wird er jemand beißen. Einen Menschen. Vielleicht ein Kind. Oder ein Pferd. Dann ist der Schaden groß. Wer soll das zahlen? Hab’ ich dir erzählt, wie mich unser Hund in den Bauch gebissen hat? Ich war noch ein Kind, wir hatten einen Schäferhund, Wotan, der hatte Angst vor Gewitter. Ich auch. Es donnerte, ich unters Sofa, Wotan ebenfalls. Wir prallten zusammen, unter dem Sofa. Vor Schreck biß er mich in … da kommt ja Zeppelin. Zeppelin! Komm her! Guter Hund.«
    »Scheißtöle«, brummte mein Vater. Wir gingen weiter. Joachim sagte: »Wir könnten eine elektrische Leitung ins Baumhaus legen, von der Wohnung aus. Schwachstrom. Wir könnten Morseapparate bauen und Nachrichten senden. Kannst du morsen?«
    »Nein«, sagte ich erstaunt. Joachim schüttelte den Kopf. »Ich auch nicht«, sagte er.
    Links entlang verlief der Sandweg, gelber märkischer Sand mit tiefen Wagenspuren. Akazien wuchsen auf beiden Seiten, ihre Kronen berührten einander, der Weg wirkte wie ein grüner Tunnel. Selten ging hier jemand entlang. Wir stolperten über Wurzeln, jetzt im Gänsemarsch, Joachim ging vor mir. Er machte kleine Schritte, den Oberkörper aufgerichtet. Seine langen Arme schlenkerten wie die Arme unseres Vaters, der allerdings von Zeit zu Zeit die Jacke aufknöpfte und die Daumen indie Armlöcher seiner Weste steckte. Er trug Anzüge aus festem Tuch, ein Anzug hielt viele Jahre.
    Der Weg streifte eine Ecke der Laubenkolonie Tausendschön. Dann führte eine schmale Brücke über den Graben, einen tief zwischen Böschungen versenkten Wasserlauf, der in einem verschilften Teich endete. Schließlich überquerten wir eine Chaussee. Auf der anderen Seite, unter Ulmen und Kastanien, lag das Schützenhaus.
    Das Anwesen wirkte verlassen. Mannshohes Gebüsch wucherte und verdeckte zum Teil die einst weißen, von Fachwerkbalken gegliederten Mauern. Faulende Stufen führten zu einer Holzveranda, die sich an der gesamten Vorderseite des Haupthauses hinzog. Die Fenster waren mit rohen, ungehobelten Brettern verschalt. Eine Reklame für Berliner Kindl-Bier hing an einem Nagel schräg herab. Ein Teil der Dachrinne hatte sich gelöst.
    Zeppelin verschwand in den Büschen. Wir gingen ums Haus. Der saalartige Bau an der Rückseite machte einen stabilen Eindruck. Die Kegelbahn daneben sah sogar aus, als sei sie kürzlich benutzt worden. Die Kugeln lagen blank der Reihe nach in einer hölzernen Rinne, alle neun Kegel waren am anderen Ende aufgestellt. Doch konnten wir die Kegelbahn nicht betreten, weil davor ein breiter Streifen Brennesseln wucherte. »Entenfutter«, sagte mein Vater. »Wir sollten einen Teich anlegen und Enten züchten.«
    Wir gingen weiter. Joachim meinte, wir könnten unser Baumhaus hier bauen, dies sei »die wahre Wildnis«. Tante Deli nahm die Hände aus den Taschen und fuchtelte vor Vaters Nase. »Du denkst doch nicht ernsthaft daran, diese Klitsche zu übernehmen?« fragte sie. Und ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: »Dies ist ein Schuppen. Die Kosten,

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