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Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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festzuhalten.
    »Komm ins Haus«, sagte ich zu Anneli. »Ich kann nicht mehr lesen.«
    Sie klappte mit einem endgültigen Seufzer ihr Buch zu und stand auf.
    Augenblicke der Sammlung waren uns gegönnt durch das, was Joachim »die Tücke des Objekts« nannte. In diesem Fall die Tücke des Objektivs. »Kein Mensch hat eine Ahnung von Tonfilm«, beschwerte sich Joachim. »Es gibt keine Techniker, und wenn es sie gibt, arbeiten sie bei der Ufa oder bei der Tobis oder bei Lorenz und den anderen Apparate-Herstellern. Ich möchte wissen, wo die Jungs leben. Mal muß doch einer vorbeikommen und sein Bier bei uns trinken.«
    »Worum geht es?« wollten wir wissen. Joachim erklärte, die Endverstärkerstufe arbeite nicht mit genügender Kraft. Eine weitere Röhre sei nötig. Er wisse aber nicht, welche. Überdies wären unsere lächerlichen Lautsprecher ungeeignet. »Die sind ein Dreck. Wir brauchen elektrostatisch aufgeladene Lautsprecher.«
    »Die sollte es geben«, warf Werner ein.
    Unser Vater, hinter dem Tresen, rief: »Wer soll das bezahlen?«
    Wir erklärten ihm, daß die Schützenhaus-Lichtspiele in den letzten Jahren Geld verdient hätten, er konnte es immer noch nicht fassen. Der Umbau, der Einbau neuer Apparaturen, der Preis für neue technische Einrichtungen – mit Lehmanns Verbindungen und unserem kleinen Finanzpolster war das kein Problem, Joachim hatte sich durchgesetzt. Ihm gebührte Anerkennung. Das jedoch ging meinem Vater wider die Natur. Er kannte unsere Bilanzen, erlaubte sich jedoch, die dort ausgewiesenen guten Ergebnisse sofort wieder zu vergessen, weil ein anderer diese Ergebnisse erzielt hatte. Jemand, den er immer noch als Kind ansah, als unmündig.
    »Es wird ein böses Ende nehmen«, murmelte mein Vater.
    Joachim muckte auf: »Ich glaube nicht. Wir haben es so weit geschafft, wir werden es weiter schaffen.«
    Und Sternchen Siegel murmelte: »Bitte schön, werden Se haben das erste Vorstadt-Tonfilmkino. Werden Se nich sein zufriedengestellt?«
    »Zufriedengestellt«, wiederholte Robinson Krause mit einer knappen Verbeugung. Vater drohte ihm mit dem Bierspachtel.
    Tante Deli dachte praktisch. »Wenn diese technischen Sachen nicht klappen, denke ich, können wir den Saal zwischendurch anders benützen.«
    »Wie meinst du?« fragte mein Vater. Das hätte er unterlassen sollen, denn Tante Deli sagte, mit schlichtester Betonung ihrer Worte:
    »Wir können in dem Saal unsere Hochzeit feiern.«
    Wieder sahen wir unseren Vater erröten. Wir schwiegen. Es geschah nichts anderes, als daß sich unsere Vermutungen bewahrheiteten. Waren wir dafür? Dagegen? Wie immer schien das nicht unsere Angelegenheit zu sein.
    Werner brach das Schweigen, indem er sagte: »Ich könnte die Orgel spielen, ›Treulich geführt‹. Macht sich immer gut.«
    Tante Deli reagierte schnell: »Dir will ich mal was sagen«, rief sie, »du bist ein billiger Halunke. Ja, das bist du. Ich habe mir hundertmal angehört, was du im Kintopp für Erklärungen abgibst, Herr Spiehr! Da zieht es einem die Schuhe aus! Und diese Musikpotpourris. Das Gewitter aus der Wilhelm-Teil-Ouvertüre und hinterher gleich ›Was machste mit dem Knie lieber Hans‹. Und immer einen in der Krone. Meinste, ich lass’ mir von dir unsere Hochzeit ruinieren; Nee. Ich werde ’ne Kapelle engaschiern, mit schöner Musik, altes Programm, verstehste? Was richtig zum Schunkeln, wo sich Oma und Opa freuen. Und mein Walter Pommrehnke auch, ich kenne ihn. Daß du mir da nicht querschießt, du vollgetanktes Karussellpferd. Nee. Ich will zu unserer Hochzeit den ›Rixdorfer‹ und ›Das war in Schöneberg im Monat Mai‹ und ›Glühwürmchen, flimmere‹. Denkt, ich bin ’ne sentimentale Zicke, das macht mir nichts aus. Das ist unsere Hochzeit und nicht euer Kino, oder?«
    Werner hatte sich ins Hinterzimmer geschlichen und seine Quetschkommode vorgeholt. Jetzt stand er in der Tür, das Instrument umgeschnallt, und intonierte: »Im Grunewald, im Grunewald – ist Holzaktion …«
    »Sekt«, rief mein Vater, »wir sind verlobt. Krause, was stehn Sie denn rum!«
    Werner ging zu Paul Lincke über. Das machte ihm keineSchwierigkeit, diesem Meister des Flimmerkisten-Potpourris. »Gnädige Frau«, rief er, »das hab’ ich alles im Repertoire!«
    Eines Abends betrat ein streng aussehender kleiner Herr die Gaststube, das Kreuz durchgedrückt, einen Spazierstock in der Hand. Sein Anzug saß ihm knapp, so, als sei der Mann Uniformröcke gewohnt und trage nur ausnahmsweise Zivil.

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