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Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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drohte er. Tante Deli lachte und verließ den Türrahmen. »Ausgerechnet die trockne Schrippe!« rief sie vom anderen Ende des Flurs.
    Anneli hatte diese Szene mitbekommen und uns haarklein berichtet.
    Gila-Monster blieb fort, Anneli bewegte jetzt auch Gilas Pferd, manchmal noch in den Abendstunden, wenn sie Berenice abgesattelt und in den Stall geführt hatte. Eichelkraut, der bei Pferdeproblemen telepathisch reagierte, war am dritten Tag anwesend: »Ihr könnt dat nich allet auf die Tiere auslassen«, sagte er. Anneli schlug ihm vor, er solle nach Potsdam fahren und Gila-Mäuschens Absichten herausfinden. Das versprach er.
    »Und unser Paar? Ick hab’ den Quatsch jehört«, sagte Eichelkraut. Er roch wieder einmal nach Rieselfeld. »Bleibt ruhich, Kinderchens. An’t Standesamt hängt det Aufjebot. Aliens wird seinen Weech jenen.«
    Wir waren nicht sicher.
    »Soll ich nu kaufen de Jirlanden oder lieber Trauerflor?« quengelte Sternchen.
    Tante Deli hatte das gehört. Sie lachte. Erstaunlich, wie guterLaune sie war. »Her mit den Girlanden«, rief sie. »Nächsten Sonnabend wird geheiratet.«
    Oben klappte das Fenster vom Schlafzimmer meines Vaters.
    Als wir noch Kinder waren, hatte ich mir oft vorgestellt, wie es sein würde, wenn unser Vater und Tante Deli heirateten. Ein Gedankengang, der parallel zu jenem anderen stattfand, in dem meine Mutter als Haupthinderungsgrund fungierte. In jenen Augenblicken dachte ich, es sei unmöglich, daß mein Vater je eine andere Frau heiraten würde, sei es auch die uns vertraute Tante Deli, die Mutter unserer Cousine Anneli, die uns wie eine Schwester war.
    Anscheinend hatten sie gewartet, bis wir erwachsen waren, wir würden nie Genaues erfahren, darüber sprach man nicht. All der Vertrautheiten wegen, in die wir, nach dem Stil der Zeit etwas oberflächlich, aber dennoch einbeschlossen waren, hatten wir die Gila-Monster-Epoche als Störung empfunden. Es war gut, daß die Angelegenheit endgültig bereinigt war, durch jenen Auftritt von Gila-Monsters Vater. Wenn Tante Deli sagte, am Sonnabend würde geheiratet, dann wurde geheiratet. Mit irgendeiner Methode würde sie ihren »Obuloff« aus der Bettkiste bekommen.
    Eichelkraut fuhr mit einem Viehtransporter vor. Ali, Gila-Monsters Pferd, meldete er, werde in Potsdam eingestellt.
    »Direkt bin ick froh für det Tier«, meinte er. »Ein Tier muß, sobald es unter Menschen is, wissen, wo et hinjehört. Det is jenau wie mit die Menschen selbst. Faß dir mal an de Neese, Kleener« – er deutete auf die Mitte meines Gesichts, als erwarte er das tatsächlich –, »faß dir mal da an und denke nach über dir. Hier haste alles. Jesetzt nu, det wäre nich? So denkt det Ferd ooch. Oder vielmehr et denkt nich, wenn wir ooch sagen, det Denken soll man die Ferde überlassen, die haben ’nen jrößeren Kopp wie wir. Nee, ick bezweifele füglich, det diese Kracke hier, wo ick verlade, und die wir Ali nennen, seine Zeit mit Denken zubringt. Aber se fühlt. Die Kracke fühlt, vastehste? Se will wo hinjehörn. Und mit det Gila-Monster oder wie ihr die stolze Reiterin nennt, die Amazone in det jrüne Jileh, war detnich klar. Ick sage euch mit all euern Ferdevastand, mit den sich jewisse Familienmitjlieder bei euch brüsten, hättet ihr die Ferde ruiniert. Wenn, ja wenn nich eure kleene Anneli sich eines Tages in den Sattel jeworfen und eene Beziehung zu dieset mäßije Springferd Berenice uffjetakelt hätte und denn notgedrungen zu unseren Ali. Wat, Ali? Nu marschier schon.«
    Ali keilte aus, er mochte nicht in den Transporter gehen. Da hielt ihm Anneli eine Mohrrübe vor die Nase, und er folgte willig.
    »Saach ick’s nich«, brummelte Eichelkraut. Er schlug die Klappe zu.
    Als der Wagen abfuhr, sagte Anneli: »Ich glaube, fortan stelle ich Berenice im Reiterklub unter. Hier wäre sie nun alleine. Das ist nichts für sie. Eichelkraut ist gar nicht doof. Man muß wissen, wo man hingehört.« Sie sah mich an: »Und ein Pferd gehört zu anderen Pferden.«
    Damit sollte ich was anfangen. Ich sah ihr nach, wie sie zum Schützenhaus hinüberstiefelte. Mit der Reitgerte klopfte sie an den Stiefelschaft.
    »Die Gäste kannst du als Gesottenes an Aschinger verkaufen«, sagte Werner. Er meinte, daß es im Kinosaal, den wir entfremdeten und für die Hochzeitsfeier schmückten, heiß werden würde.
    Werner brachte auch gleich seinen Vorschlag an: »Wir nehmen, was meint ihr, die vordere Wand heraus. Die Saaltüren, den halben Giebel darüber. Das

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