Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition)
Interessenten sollten sich an die Makler Cruickshank und Butterworth in der Stadt wenden. Da ich ohnehin auf dem Weg in die Stadt war, ging ich in das Maklerbüro, um mich nach dem Aufenthaltsort des Gutsherrn zu erkundigen. Ich sprach mit Mr Cruickshank, einem äußerst liebenswürdigen Mann, der bereitwillig auf meine Fragen einging und mir umfassend antwortete.
»Eine merkwürdige Sache«, sagte er. »Erst stirbt die Frau und dann der Gutsherr. Nur der Sohn lebt noch. Er hat das Ganze geerbt. Er ist ins Ausland gegangen und hat uns beauftragt, den Besitz in seinem Namen zu verkaufen. Das dürfte ihm ein kleines Vermögen einbringen.«
»Es gibt einen Sohn?«, fragte ich zweifelnd.
»Ja, ein Doktor.«
»Wie ist denn der alte Herr gestorben?«, fragte ich.
»Nun, das ist eine noch merkwürdigere Geschichte. In der Nacht nachdem man die Frau beerdigt hatte, hörte der Doktor Schreie aus dem Zimmer seines Vaters. Er rannte hinauf und fand seinen Vater halb tot im Bett liegen, das Gesicht rot angelaufen, anscheinend zu keiner Bewegung mehr fähig und kaum mehr in der Lage, zu sprechen. Er sagte dem Doktor noch, er sei aufgewacht, weil seine tote Frau auf ihm kniete und ihn würgte. Kurz darauf starb er. Der Schock hat ihn umgebracht – er hatte eine schwache Konstitution, und sein Herz hielt die Belastung nicht aus. Der Sohn tut mir leid. Mit einem Schlag hat der arme Kerl Vater und Stiefmutter verloren.«
»Ihr meint, die Tote war nicht seine Mutter?«
Mr Cruickshank schüttelte den Kopf. »Seine leibliche Mutter starb, als er noch ein Junge war, und sein Vater hat wieder geheiratet. Die hübscheste Frau, die ich je gesehen habe, aber sie war fast vierzig Jahre jünger als er. Ich weiß nicht, was sie an ihm fand.«
Ich dankte Mr Cruickshank für seine Zeit und machte mich auf den Weg, noch unruhiger als vorher. Meine Neugier war befriedigt, aber meine Bedenken nicht zerstreut worden. Wie ich mir vorgenommen hatte, ging ich anschließend zum Apotheker, um eine Arznei gegen Husten zu kaufen. Kaum hatte ich den Laden betreten, überwältigte mich ein starker, unverwechselbarer Geruch, und ich blieb wie angewurzelt stehen. Es war derselbe Geruch, den ich im Keller des Gutshauses wahrgenommen hatte. Als der Apotheker die Ladenglocke bimmeln hörte, kam er aus dem hinteren Raum.
»Was ist das für ein Geruch?«, fragte ich rundheraus.
»Ah«, sagte er verschwörerisch. »Das ist ein ganz besonderes Schlafmittel, eine meiner Eigenmischungen. Hochwirksam, sehr stark. Es versetzt einen Menschen in Tiefschlaf, wobei die betreffende Person fast leblos aussieht und keinerlei Schmerzempfindung hat. Ich denke, Krankenhausärzten wird dieses Mittel bei Operationen sehr hilfreich sein.«
»Sagt mir«, fuhr ich mit klopfendem Herzen fort, »kennt Ihr einen Dr. Sturgeon?«
»Einer meiner besten Kunden«, sagte der Apotheker stolz. »Er schwört auf dieses Mittel, er sagt, es sei das beste und einzige gegen seine Schlaflosigkeit gewesen.«
Ich nahm meinen Hustensaft und machte mich schweren Herzens auf den Heimweg. Nun kannte ich das wahre Ausmaß der Täuschung, in die ich unwissentlich hineingezogen worden war. Was für ein vertrackter Plan! Nur ein teuflisches Gehirn konnte ihn ersonnen haben. Wie soll man schließlich einen Geist wegen Mordes vor Gericht bringen?
Ihr müsst wissen, Mr Zabbidou, ich stelle es mir so vor: Der junge Doktor verabreichte der Frau seines Vaters das Schlafmittel und redete seinem Vater ein, sie sei gestorben. Dann ließ er sie in dem von mir angefertigten Sarg beerdigen. Durch das Rohr konnte sie weiteratmen, und als die Wirkung des Schlafmittels nachließ und er sie in der Nacht des Beerdigungstages aus dem Grab befreite, war sie quicklebendig. So lebendig, dass sie am Bett ihres Mannes erscheinen und ihn halb erwürgen konnte – wohl wissend, dass er ein schwaches Herz hatte. Auf diese Weise erbte der Doktor nicht nur das Anwesen seines Vaters, sondern auch dessen junge Frau. Zweifellos genießen die beiden jetzt die Früchte ihrer Gottlosigkeit in einem fernen Land.
Ich kann es mir nicht verzeihen, dass ich selbst eine Rolle bei diesem Plan gespielt habe. Ihr seid der einzige Mensch, Mr Zabbidou, der davon weiß. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass sonst noch jemand dahinterkommen könnte. Die Leute sagen, man kann Euch vertrauen, und ich glaube ihnen. Ich denke, jetzt kann ich wieder schlafen.
Kapitel 27
Fragment aus den
Erinnerungen des Ludlow Fitch
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