Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition)
und griff nach dem Schwarzen Buch. Sie zog es hervor, sprang aufs Bett und hielt es hoch aus Ludlows Reichweite.
»Wir schauen mal kurz rein, ja?«, sagte sie schelmisch und schwenkte das Buch über ihrem Kopf. »Da müssen doch interessante Geschichten drinstehen.«
»Nein!«, rief Ludlow verzweifelt. »Das ist verboten. Joe sagt, das ist verboten.«
Polly lachte. »Joe ist nicht da, falls du’s noch nicht gemerkt hast. Und was kann es auch schaden?«
»Nein«, sagte Ludlow, aber schon weniger überzeugt. Eigentlich schlug ja Polly etwas vor, woran er selbst schon längst gedacht hatte.
»Ich habe es Joe versprochen«, sagte er schwach.
»Joe erfährt es doch nicht«, sagte Polly eindringlich. »Und die meisten dieser Geheimnisse hast du sowieso schon gehört.«
»Nur die von Pagus Parvus.«
»Dann schauen wir uns die früheren an, die aus der Zeit vor Pagus Parvus, das sind Geheimnisse aus einem Ort, von dem wir die Leute nicht kennen. Was kann daran falsch sein?«
Ludlow fand den Vorschlag ganz vernünftig – wahrscheinlich deshalb, weil er ihn ganz vernünftig finden wollte. Er saß auf dem Bett und spürte lähmende Gewissensbisse, doch er schob sie zur Seite. Es war das erste Mal, dass Joe ihn mit demSchwarzen Buch allein ließ, und schon war er dabei, ihn zu hintergehen. Doch wenn er ehrlich sein sollte, war er genauso gespannt auf die Geschichten wie Polly.
»Wir fangen am besten von vorn an.«
Polly nickte eifrig. »Mit der allerersten Geschichte, der ältesten.«
»Gut«, sagte Ludlow bestimmt. »Aber nicht mehr.«
»Natürlich nicht«, sagte Polly und gab Ludlow das Buch. »Fang an.«
»Ich denke, du willst darin lesen?«, sagte Ludlow und versteckte seine Hände hinter dem Rücken. Wenn er das Buch nicht anfasste, wer weiß, vielleicht würde er dann mit dem Betrug nichts zu tun haben …
»Aber ich kann doch nicht lesen, du Dummkopf«, sagte Polly nüchtern. »Wir sind hier nicht alle so gebildet wie du.«
Ludlow seufzte, aber länger mochte er die Sache nicht aufschieben, und so nahm er Polly das schwere Buch aus den Händen. Ihm wurde ein wenig schwindlig, während er es langsam aufschlug und die erste Seite glatt strich. Dann begann er zu lesen.
Kapitel 26
Auszug aus dem
Schwarzen Buch der Geheimnisse
Das Geständnis des Sargmachers
Ich heiße Septimus Stern und ich habe ein grässliches Geheimnis. Es verfolgt mich schon seit fast zwanzig Jahren. Wohin ich auch komme, überall lauert schon sein Schatten, und wenn ich am wenigsten damit rechne, stürzt es sich auf mich, quält mich wieder eine Nacht, macht meinen Hass auf mich selbst noch größer, als er schon ist.
Ich bin ein Gefangener meines Gewissens, und Ihr, Mr Zabbidou, seid meine letzte Hoffnung.
Von Beruf bin ich Sargmacher, und zwar ein guter. Im Lauf der Jahre habe ich mir landauf, landab einen Namen gemacht, und die Arbeit ging mir nie aus. Mag sein, es kommt Euch sonderbar vor, dass ich vom Unglück anderer lebe, aber ich bin kein sentimentaler Mensch, Mr Zabbidou. Ich bin überzeugt, dass ich denen helfe, die mich brauchen – ungeachtet der traurigen Begleitumstände –, und ich verdiene mein Geld redlich.
Eines Morgens im Spätherbst kam zu früher Stunde ein Fremderin meine Werkstatt. Er behauptete, er sei Arzt, und wünschte mit Dr. Sturgeon angesprochen zu werden.
»Einer meiner Patienten ist gestorben«, sagte er kummervoll. »Ich brauche einen Sarg.«
Er schien ein wenig zerfahren, aber das war nichts Ungewöhnliches. Ich sagte also, das sei mein Geschäft und ich könne ihm sicher helfen.
»Man hat mir versichert, dass Ihr ein guter Sargmacher seid«, fuhr er fort. »Ihr sollt mir etwas Besonderes machen.«
Wieder dachte ich mir nichts bei seinem Wunsch. Ich nahm an, er meinte, ich solle den Sarg mit einem luxuriösen Stoff ausstatten, Seide vielleicht, oder ich solle teureres Holz verwenden. Manchmal wurden auch Gold-oder Silbergriffe und Beschläge verlangt. Ich sagte ihm, dass ich all das schon gemacht hatte, aber er schüttelte den Kopf.
»Nein, das ist es nicht, was ich möchte. Vielleicht erinnert Ihr Euch an den Fall kürzlich, als ein junger Mann beerdigt wurde, obwohl er noch lebte. Ich möchte jedoch gleich hinzufügen, dass nicht ich ihn für tot erklärt habe. Aber sicher könnt Ihr Euch die Verzweiflung seiner Angehörigen vorstellen, als man später herausfand, dass der junge Mann vergeblich versucht hatte, sich aus dem Sarg zu befreien.«
Ich sagte Mr Sturgeon, dass ich mich
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