Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition)
Augenblick. »Und dann war da die Sache mit dem Brief.«
»Brief?« Joe und Ludlow sprachen gleichzeitig.
Polly trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Ich habe es nicht geglaubt, bis Elias Sourdough den Brief jedem im Wirtshaus gezeigt hat. Er hat ihn vorgelesen. Es ist ein Erpresserbrief. Elias sagt, er sei von Euch. In dem Brief steht, Elias muss fünf Shilling an der Kirchentür hinterlegen, wenn sein Geheimnis sicher sein soll.«
»Deshalb wollten die Sourdoughs also nicht mit mir reden!«, rief Ludlow.
»Sie glauben, ich hätte einen Erpresserbrief geschrieben? Wegen fünf Shilling?« Joe war fassungslos. »Sie glauben, ich will ihnen drohen?«
»Ja«, sagte Polly hastig. »Und wenn Ihr ihr Vertrauen zurückgewinnen wollt, müsst Ihr ihnen zeigen, dass Ihr auf ihrer Seite steht. Bevor sie etwas Schreckliches tun.«
»Auf wessen Seite glauben sie denn, dass ich stehe?«
Sie antwortete nicht, sondern machte nur eine Kopfbewegung bergabwärts.
»Und wie soll ich ihnen das zeigen?«, sagte Joe mit ungewohnt ausdrucksloser Stimme. »Was soll ich denn ihrer Meinung nach mit Jeremiah Ratchet tun?«
»Vielleicht könntet Ihr den Trank … ich meine, den Schnaps, Jeremiah geben?«
»Und wenn ich das tun würde? Was dann?«
Polly sah ihn ein wenig verlegen an. »Unter der Wirkung von dem Schnaps gibt er vielleicht irgendwas Schlimmes zu, und dann könnt Ihr ihn damit erpressen.«
Ludlow schnaubte verächtlich. Nie würde Joe etwas so Hinterhältiges tun.
»Das ist unglaublich«, polterte Joe los. »Erpressung ist nicht meine Sache.«
»Entschuldigung, Mr Zabbidou«, sagte Polly schnell und wich zurück. »Ich will ja nur helfen. Alle sind so wütend auf Euch. Ich dachte, Ihr solltet es wissen.«
»Was ist mit Jeremiah?«, fragte Joe plötzlich. »Was weiß er von all diesen Vorgängen?«
Polly schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Vielleicht gar nichts. Aber ich bin sicher, dass er auch irgendwas plant. Gestern hat er einen der Sourdough-Jungs in sein Arbeitszimmer kommen lassen. Ich würde zu gern wissen, warum.«
Müde schüttelte Joe den Kopf und lehnte sich gegen den Kaminsims. »Es macht mich sehr traurig, zu sehen, wie schnell Menschen sich gegeneinanderwenden.«
Polly sah verzweifelt zu Ludlow hin. »Bitte seid vorsichtig«, sagte sie und ging.
Kapitel 32
Fragment aus den
Erinnerungen des Ludlow Fitch
A ls Polly fort war, brachte Joe den Schnaps und zwei Gläser und stellte alles auf den Kaminsims. Dann ließ er sich schwer in seinen Sessel fallen und schloss die Augen. »Jetzt müssen wir warten«, sagte er.
»Wird denn jemand kommen?«
»Vielleicht.«
»Soll ich das Buch holen?«
»Noch nicht.«
Ich setzte mich an den Tisch. Was konnte ich auch sonst tun? Schon den ganzen Tag fröstelte ich, und mein Mund war trocken. Ich hörte die Kirchenglocke jede Stunde schlagen. Mitternacht kam und ging, draußen war alles still. Die Augenlider wurden mir schwer, ich legte den Kopf auf den Tisch, nickte ein und fing an zu träumen. Ich rannte um mein Leben. Ich wusste, dass jemand hinter mir war, aber ich wusste nicht, wer. Sobald ich mich umdrehte, blendete mich ein grelles Licht, das aus der Dunkelheit kam. Meine Lungen brannten, meine Beine waren schwer wie Blei. Ich wollte rufen, aber ichbrachte den Mund nicht auf. Pa tauchte im Nebel auf, warf mich zu Boden und würgte mich. Ich hörte, wie Ma und noch jemand mit hämmernden Schritten angerannt kamen.
Zitternd und mit rasendem Herzen fuhr ich hoch, aber das Hämmern ging weiter: Jemand pochte gegen unsere Tür. Joe war bereits vorn im Laden. Ich wusste, wer es war. Es gab nur einen Menschen in Pagus Parvus, der es für nötig hielt, sich auf so plumpe Art anzukündigen.
Jeremiah Ratchet.
Ich lief nach vorn und sah Jeremiahs riesige Silhouette, die das Mondlicht aussperrte. Gerade hob er die Faust, um ein weiteres Mal gegen die Tür zu schlagen, da öffnete Joe so überraschend, dass Jeremiah fast hereinstürzte.
»Hrrmph«, machte er, während er um sein Gleichgewicht bemüht war.
»Ah, Mr Ratchet, was für eine angenehme Überraschung.«
Resolut pflanzte sich Jeremiah vor Joe auf und sah sich ausführlich im Laden um, als wolle er das Ganze schon für sich beanspruchen. Er entdeckte den Frosch, und für einen Moment beäugten sich beide Lebewesen interessiert, doch schwand Salukis Interesse zuerst. Dann stapfte Jeremiah Ratchet ohne Weiteres in den hinteren Raum. Joe folgte ihm. Ich setzte mich unauffällig an den Tisch,
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