Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
Vom Netzwerk:
unzufriedenen Misstrauens an, den Jack für verkappte Liebe hält. Sie weiß, dass er ein wenig Heiterkeit in Henry Leydens Leben gebracht hat, und mag ihn allein dafür, glaubt er. Zumindest hofft er das. Ihm fällt auf, dass sie die Baseballmütze in seinen Händen mit keinem Wort erwähnt hat – aber wozu auch? In diesem Teil der Welt besitzt jeder männliche Bewohner mindestens vier solcher Mützen.
    Er geht die Straße hinauf davon, mit wehenden Haaren (die Zeit der Modehaarschnitte bei Chez-Chez am Rodeo Drive liegt lange hinter ihm – er lebt jetzt im Coulee Country; nur wenn er zufällig daran denkt, lässt er sich die Haare von dem alten Herb Roeper in der Chase Street neben den Veteranen schneiden) und dem lockeren, schlaksigen Gang eines Jungen. Mrs. Morton lehnt sich aus dem Fenster und ruft ihm hinterher: »Ziehen Sie die Jeans aus, Jack! Sobald Sie zu Hause sind! Lassen Sie sie nicht an sich trocknen! Davon kriegt man Arthritis!«
    Er hebt eine Hand, ohne sich umzudrehen, und antwortet: »Wird gemacht!«
    Fünf Minuten später geht er wieder die eigene Zufahrt entlang. Angst und Niedergeschlagenheit sind zumindest vorläufig aus seinem Körper herausgebrannt. Auch die Ekstase, was eine Erleichterung ist. Für einen Schutzmann gibt es fast nichts Schlimmeres, als in Ekstase durch Ermittlungen zu galoppieren.
    Als er den Karton auf der Veranda sieht – das Packpapier, die Federn und den ziemlich beliebten Kinderlaufschuh nicht
zu vergessen -, muss Jack unwillkürlich daran denken, wie Mrs. Morton den großen Weisen Henry Leyden zitiert hat.
    Dagegen bin ich hilflos. An manchen Tagen wache ich einfach als die Ratte auf. Obwohl ich später dafür büßen muss, bereitet mir ein solcher Anfall auch ziemliche Freude, während er andauert. Totale Freude.
    Totale Freude. Als Kriminalbeamter hat Jack sie gelegentlich empfunden, manchmal bei Ermittlungen am Tatort, häufiger jedoch bei der Vernehmung von Zeugen, die mehr wussten, als sie anfangs zugaben … Das ist etwas, was Jack Sawyer fast immer merkt, etwas, was er förmlich wittert. Er nimmt an, dass Tischler diese Freude empfinden, wenn sie besonders gut tischlern, Bildhauer, wenn sie einen guten Kinn- oder Nasentag haben, Architekten, wenn die Linien auf ihren Bauplänen sich ideal zusammenfügen. Das einzige Problem ist, dass irgendjemand in French Landing (vielleicht auch in einer der umliegenden Kleinstädte, aber Jack tippt auf French Landing) dieselbe Freude empfindet, wenn er Kinder ermordet und Teile ihrer kleinen Körper verzehrt.
    Irgendjemand in French Landing wacht immer häufiger als der Fisherman auf.
     
    Jack betritt das Haus durch den Hintereingang. Aus der Küche nimmt er eine Packung großer Klarsichtbeutel mit Zippverschluss, ein paar Müllbeutel, die Kehrschaufel und den Handfeger mit. Er öffnet den Eisbereiter seines Kühlschranks und kippt etwa die Hälfte der Eiswürfel in einen der Müllbeutel – was Jack Sawyer betrifft, hat Irma Freneaus armer Fuß das Maximum seines Verwesungszustands erreicht.
    Aus seinem Arbeitszimmer holt er noch rasch einen Schreibblock, einen schwarzen Markerstift und einen Kugelschreiber. Aus dem Wohnzimmer nimmt er die kürzere der beiden Feuerzangen mit. Und als er dann wieder auf die Veranda tritt, hat er seine geheime Identität als Jack Sawyer so gut wie ganz abgestreift.
    Ich bin ein Schutzmann, denkt er lächelnd. Verteidiger des amerikanischen Lebensstils, Freund der Lahmen, der Stummen und der Toten.

    Als er dann auf den von seiner jammervollen kleinen Gestankswolke umgebenen Laufschuh hinabsieht, verblasst sein Lächeln. Er spürt etwas von dem gewaltigen Mysterium, das auch wir empfunden haben, als wir zuvor in den Trümmern des verlassenen Restaurants auf Irma gestoßen sind. Er wird sein Möglichstes tun, um diesen sterblichen Überresten Ehre zu erweisen, genau wie wir unser Bestes getan haben, um dem toten Kind Ehre zu erweisen. Er denkt an die Autopsien, an denen er teilgenommen hat, an die wahre Feierlichkeit, die hinter den Witzen und den fleischerhaften Derbheiten verborgen liegt.
    »Irma, bist du’s?«, fragt er leise. »Bist du’s, dann musst du mir helfen. Red mit mir. Jetzt müssen die Toten den Lebenden helfen.« Ohne darüber nachzudenken, drückt Jack einen Kuss auf seine Finger und bläst den Kuss dann zu dem Kinderschuh hinunter . Am liebsten würde ich den Mann – oder das Scheusal – umbringen, der das getan hat, denkt er. Ihn aufknüpfen, während er sich kreischend

Weitere Kostenlose Bücher