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Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
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sich an beiden Enden«.
    Er grinst leicht und hebt wie zufällig eine Hand, damit Mrs. M. seinen Mund nicht sieht. Sie würde ihn fragen, was so komisch sei, und was sollte er dann antworten? Dass er eben gedacht habe, ihre Zunge sei in der Mitte gelagert? Aber es ist auch komisch, wie die Gedanken und Erinnerungen zurückgeströmt kommen. Hat er nicht erst gestern versucht, seine Mutter anzurufen, weil er vergessen hatte, dass sie tot ist? Das erscheint ihm jetzt wie etwas, was er in einem ganz anderen Leben getan haben könnte. Vielleicht war es ja ein anderes Leben. Er fühlt sich weiß Gott nicht wie derselbe Mensch, der heute Morgen die Beine aus dem Bett geschwungen hat: müde und voller schlimmer Vorahnungen. Jetzt fühlt er sich erstmals wieder ganz lebendig seit … nun, vermutlich seit dem Tag, an dem Dale mit ihm diese Straße entlanggefahren ist und ihm das hübsche kleine Haus gezeigt hat, das einst Dales Vater gehört hat.
    Elvena Morton schwatzt inzwischen weiter.
    »… obwohl ich zugeben muss, dass ich jede Ausrede nutze, um das Haus zu verlassen, wenn er mit dem Verrückten Mongoloiden anfängt«, sagt sie. »Verrückter Mongoloide« ist Mrs. Mortons Ausdruck für Henrys Wisconsin-Rat-Rolle. Jack nickt verständnisvoll, ohne zu ahnen, dass er binnen weniger Stunden einen Mann mit dem Spitznamen »Verrückter Ungar« kennen lernen wird. Einer der kleinen Zufälle des Lebens.
    »Er setzt sich immer frühmorgens in den Kopf, den Verrückten Mongoloiden zu spielen, und ich habe zu ihm gesagt: ›Henry, wenn Sie so laut kreischen und schreckliche Dinge sagen und dann diese grässliche Musik von Kids spielen müssen,
denen man niemals eine Tuba, von einer elektrischen Gitarre ganz zu schweigen, in die Hand hätte geben dürfen, warum tun Sie das morgens, wenn Sie wissen, dass Sie danach für den Rest des Tages erledigt sind?‹ Das ist er nämlich: Spielt er den Verrückten Mongoloiden, kriegt er in vier von fünf Fällen Kopfschmerzen und liegt dann nachmittags mit einem Eisbeutel auf der armen Stirn in seinem Schlafzimmer, und an solchen Tagen rührt er auch keinen Happen von seinem Mittagsimbiss an. Manchmal ist sein Abendessen weg, wenn ich am nächsten Tag nachsehe – ich lasse es immer am gleichen Platz im Kühlschrank stehen, außer er sagt mir, dass er selbst kochen will -, aber in der Hälfte aller Fälle steht es unberührt da, und wenn es nicht mehr da ist, habe ich ihn im Verdacht, dass er es manchmal einfach in den Abfallzerkleinerer kippt.«
    Jack grunzt. Mehr braucht er nicht zu tun. Ihre Worte schwappen über ihn hinweg, und er überlegt sich, wie er den Kinderlaufschuh mit der Feuerzange anfassen und in einen Klarsichtbeutel stecken wird, wie die Beweiskette beginnen wird, sobald er den Beutel auf der Polizeistation abliefert. Er überlegt sich, dass er sich vergewissern muss, dass der Schuhkarton sonst nichts enthält, und dass er sich das Packpapier genauer ansehen muss. Und dass er die ausgeschnittenen Zuckerbilder noch einmal überprüfen muss. Vielleicht ist unter ihnen ja der Name irgendeines Restaurants eingedruckt. Ziemlich unwahrscheinlich zwar, aber …
    »Und er sagt: ›Mrs. M., dagegen bin ich hilflos. An manchen Tagen wache ich einfach als die Ratte auf. Obwohl ich später dafür büßen muss, bereitet mir ein solcher Anfall auch ziemliche Freude, während er andauert. Totale Freude .‹ Und ich habe ihn gefragt, ich habe gesagt: ›Wie können Sie Freude an Musikstücken haben, in denen Kinder ihre Eltern umbringen, Fötusse essen, Sex mit Tieren haben – davon hat eins von diesen Liedern wirklich gehandelt, Jack, ich hab’s ganz deutlich gehört – und all das wollen?‹ Das habe ich ihn gefragt, und er hat gesagt … Hoppla, da wären wir ja schon!«
    Sie haben tatsächlich die zu Henrys Haus führende Zufahrt erreicht. Eine Viertelmeile weiter ist das Dach von Jacks Haus zu sehen. Sein Dodge Ram, sein in der Einfahrt stehender Pickup,
glitzert harmlos in der Sonne. Nicht zu sehen ist die Veranda und erst recht nicht das grausige Ding, das dort auf den Brettern darauf wartet, weggeräumt zu werden. Im Namen des Anstands weggeräumt zu werden.
    »Ich könnte Sie eigentlich ganz heimfahren«, sagt sie. »Warum tue ich’s nicht einfach?«
    Jack, der an den Laufschuh und den ihn umgebenden Verwesungsgeruch denkt, lächelt, schüttelt den Kopf und öffnet rasch die Beifahrertür. »Ich muss noch etwas mehr nachdenken, glaub ich«, sagt er.
    Sie sieht ihn mit dem Ausdruck

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