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Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
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obwohl Andy noch immer Schiss hat, biegt er um die Ecke und geht langsam auf die offene Tür zu. Sein Herz jagt, weil er weiterhin halb davon überzeugt ist, der Alte könnte vielleicht doch gefährlich sein. Schließlich hat er dieses schlechte Gefühl schon gehabt, als er nur den Rücken des Unbekannten gesehen hat …
    Aber er geht hin. Gott helfe ihm, er tut’s.
    »Mister?«, ruft er, als er die offene Tür erreicht. »He, Mister, ich glaube, Sie sind im falschen Zimmer. Das hier ist Mr. Potters Zimmer. Wollen Sie nicht …«
    Er verstummt. Reden ist zwecklos, weil das Zimmer leer ist. Wie kann das sein?
    Andy tritt zurück und probiert die Türknäufe von 212 und 213. Beide Türen sind wie erwartet abgesperrt. Nachdem er das festgestellt hat, betritt er George Potters Zimmer und sieht sich gründlich um – Neugier war der Katze Tod, Befriedigung hat sie wieder lebendig gemacht. Potters Bude ist etwas größer als seine, aber sonst nicht sehr viel anders: ein Kasten mit hoher Decke (in der guten alten Zeit haben sie Häuser gebaut, in denen man aufrecht stehen konnte, das muss man ihnen lassen). Das Einzelbett hängt in der Mitte durch, ist aber ordentlich gemacht. Auf dem Nachttisch stehen ein Medizinfläschchen mit Pillen
(die sich als ein Antidepressivum namens Zoloft erweisen) und das gerahmte Foto einer Frau. Andy findet sie bemerkenswert hässlich, aber Potter muss da wohl anders empfinden. Schließlich hat er ihr Bild so aufgestellt, dass es das Erste ist, worauf morgens sein Blick fällt, und das Letzte, was er abends sieht.
    »Potter?«, sagt Andy. »Ist da jemand? Hallo?«
    Als ihn jäh das Gefühl überwältigt, hinter ihm stehe jemand, fährt er herum und bleckt sein Gebiss zu einem grinsenden Knurren, das ein halbes Kuschen ist. Er zuckt mit einer Hand hoch, um das Gesicht vor dem Schlag zu schützen, der ihm plötzlich unausweichlich erscheint … nur ist dort niemand. Lauert er hinter der Ecke am Ende des kurzen Anbaus an den Hauptkorridor? Nein. Aber Andy hat den Unbekannten doch um diese Ecke wieseln gesehen. Er kann unmöglich wieder hinter ihn gelangt sein … außer er ist wie irgendeine Art Fliege über die Zimmerdecke gekrochen …
    Andy sieht zur Decke hoch. Er weiß, dass er sich absurd verhält, dass seine Reaktion plemplem ist, aber schließlich kann ihn hier niemand beobachten, also was soll’s? Aber dort oben gibt’s auch nichts zu sehen. Nur eine gewöhnliche Zimmerdecke aus Blechelementen, die jetzt durch Alter und Jahrzehnte von Zigarren- und Zigarettenrauch vergilbt sind.
    Das Radio – o verdammt, Entschuldigung, Rah- dio – steht unberührt auf der Fensterbank. Noch dazu ein verdammt gutes, ein Bose – die Marke, von der Paul Harvey dauernd in seiner Mittagssendung redet.
    Dahinter, jenseits der schmutzigen Scheibe, befindet sich die Feuertreppe.
    Aha!, denkt Andy und hastet zum Fenster hinüber. Ein Blick auf das von innen verriegelte Schiebefenster genügt, um seinen triumphierenden Gesichtsausdruck verblassen zu lassen. Er späht trotzdem hinaus und sieht einige feuchte schwarze Eisenstufen, die in den Nebel hinunterführen. Keinen blauen Bademantel, keine schuppige Glatze. Natürlich nicht. Der Türknaufrüttler hat das Zimmer nicht auf diesem Weg verlassen, außer er beherrscht irgendeinen Zaubertrick, mit dem er das Fenster wieder von innen verriegeln kann, sobald er draußen auf der Feuertreppe steht.

    Andy dreht sich um, bleibt kurz stehen, während er nachdenkt, lässt sich dann auf die Knie nieder und sieht unters Bett. Dort entdeckt er einen alten Blechaschenbecher, in dem ein ungeöffnetes Päckchen Pall Mall und ein Wegwerffeuerzeug mit dem Aufdruck Kingsland Old-Time Lager liegen. Sonst nur Wollmäuse. Als er vor dem Aufstehen eine Hand auf den Bettüberwurf legt, fällt sein Blick auf die Kleiderschranktür. Sie steht einen Spaltbreit offen.
    »Da also«, flüstert Andy so leise, dass er’s selbst kaum hört. Er steht auf und bewegt sich zum Kleiderschrank hinüber. Der Nebel mag auf Kätzchentatzen hereinkommen, wie es in einem Gedicht von Carl Sandburg heißt, oder auch nicht, aber auf genau diese Weise schleicht Andy Railsback durch George Potters Zimmer. Sein Herz hämmert wieder, heftig genug, um die in seiner Stirnmitte hervortretende Ader pulsieren zu lassen. Der Mann, den er gesehen hat, ist im Kleiderschrank. Logik erfordert es. Intuition schreit es. Aber wenn der Türknaufrüttler nur ein verwirrter alter Knabe ist, der sich im Nebel ins Hotel

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