Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
Vom Netzwerk:
Nelson, dessen Erdgeschoss inzwischen vom Flussnebel überflutet ist und an dem die ockergelbe Hochwassermarke jener lange zurückliegenden Überschwemmung im schwindenden Licht dieses Tages kaum mehr als ein Hauch von Farbe ist. Auf einer Seite des Hotels liegt das Schuhgeschäft Wisconsin Shoe, das für heute geschlossen hat. Auf der anderen steht Lucky’s Tavern, vor der gegenwärtig eine o-beinige alte Frau (sie heißt Bertha Van Dusen, falls das jemanden interessiert) mit auf ihre großen Knie gestützten Händen vornüber gebeugt steht und einen Bauch voll Kingsland Old-Time Lager in den Rinnstein speit. Sie macht Geräusche wie ein schlechter Lastwagenkutscher, der ein handgeschaltetes Getriebe misshandelt. Im Eingang des Hotels hockt ein geduldiger alter Mischlingshund, der warten wird, bis Bertha in die Kneipe zurückgegangen ist, um dann hinüberzuschleichen und die im Bier schwimmenden, halb verdauten Cocktailwürstchen zu fressen. Aus Lucky’s Tavern dringt die müde, näselnde Stimme des verstorbenen Dick Curless; Ole Country One-Eye singt von jenen Hainesville Woods, in denen alle Meile ein Grabstein steht.
    Der Hund stößt einen einzigen desinteressierten Knurrlaut aus, als wir an ihm vorbei in die Empfangshalle des Nelsons schlüpfen, in der mottenzerfressene Tierschädel – ein Wolf, ein Bär, ein Elch und ein uralter, halb kahler Bison mit einem einzelnen Glasauge -, leere Sofas und leere Sessel den Aufzug, der seit etwa 1994 außer Betrieb ist, und die unbesetzte Rezeption anstarren. (Morty Fine, der Nachtportier, sitzt im Büro, hat die Füße auf einen leeren Karteischrank hochgelegt, liest People und bohrt in der Nase.) Die Halle des Hotels Nelson riecht zwar immer nach dem Fluss – das steckt in den Poren des Mauerwerks -, aber heute Abend ist der Geruch stärker
als sonst. Es ist ein Geruch, der uns an schlechte Ideen, verlorene Investitionen, ungedeckte Schecks, sich verschlechternde Gesundheit, gestohlenen Bürobedarf, nicht gezahlten Unterhalt, leere Versprechungen, Hautkrebs, erloschenen Ehrgeiz, stehen gelassene Musterkoffer voller billiger Novitäten, unerfüllte Hoffnungen, altersschlaffe Haut und Plattfüße denken lässt. Es handelt sich hier um die Art Hotel, in die man nicht kommt, wenn man nicht schon früher hier gewesen ist und praktisch keine andere Wahl mehr hat. Es ist ein Hotel, in dem Männer, die vor zwei Jahrzehnten ihre Familien verlassen haben, jetzt auf schmalen Betten mit Pisseflecken liegen, husten und Zigaretten rauchen. Die schäbige alte Bar (in der einst der schäbige alte Hoover Dalrymple Hof hielt und fast jeden Freitag- und Samstagabend eine Schlägerei anzettelte) ist Anfang Juni durch einstimmigen Beschluss des Stadtrats geschlossen worden, nachdem Dale Gilbertson die hiesige politische Elite schockiert hatte, indem er ihr ein Video von drei Stripperinnen auf Tournee vorführte, die sich Anal University Trio nannten und auf der winzigen Bühne eine Synchronvorstellung mit Gurken gaben (Polizei-Kameramann: Officer Tom Lund, eine Runde Beifall für ihn). Um ein Bier zu bekommen, brauchen die Dauergäste des Nelsons aber weiterhin nur nach nebenan zu gehen, wie praktisch. Im Nelson zahlt man wöchentlich. Man kann eine Kochplatte in seinem Zimmer haben, aber nur mit Genehmigung und nachdem das Elektrokabel begutachtet worden ist. Mit festem Einkommen kann man so lange im Nelsons ausharren, bis man stirbt, und das letzte Geräusch, das man dann hört, könnte leicht das Knarren von Bettfedern im Zimmer über einem sein, während sich irgendein anderer hilfloser alter Loser einen runterholt.
    Steigen wir die Treppe hinauf, an dem uralten Feuerwehrschlauch in seinem Glaskasten vorbei. Auf dem Treppenabsatz im ersten Stock halten wir uns rechts (vorbei an dem Münztelefon mit seinem vergilbenden Schild AUßER BETRIEB) und steigen weiter hoch. Als wir den zweiten Stock erreichen, mischt sich in den Geruch des Flussnebels der Geruch von Hühnersuppe, die auf jemands Kochplatte gewärmt wird
(deren Elektrokabel von Morty Fine oder George Smith, dem Tagportier, ordnungsgemäß abgenommen wurde).
    Der Geruch kommt aus Zimmer 207. Zwängen wir uns durchs Schlüsselloch (im Nelson hat es nie Magnetkartenschlösser gegeben, und es wird auch nie welche geben), befinden wir uns in Gegenwart von Andrew Railsback, siebzig Jahre alt, beginnende Glatze, hager, humorvoll. Er hat einst Staubsauger von Elektrolux und Haushaltsgeräte von Silvania verkauft, aber diese Zeit liegt

Weitere Kostenlose Bücher