Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
selbst sterbenselend fühlt, muss er etwas tun, um dem Kaiser zu helfen. Sonny streckt eine Hand nach der Maschine des anderen aus und beobachtet, so gut er kann, wie dessen Pupillen hinter den geöffneten Lidern verschwinden. Blut schießt dem Kaiser aus den Nasenlöchern, während sein Körper nach hinten sackt und zur Seite wegkippt. Einige Sekunden lang wird er noch von einem Stiefel mitgeschleppt, der sich am Lenker verfangen hat; dann rutscht ihm der Stiefel vom Fuß, und die Harley rollt aus.
Der rot glühende Eisenpflock scheint Sonny den Magen aufzureißen. Er kann einfach nicht mehr anders: Er lässt das andere Bike fallen, stöhnt vor Schmerz und erbricht Unmengen, die ihm wie jede Mahlzeit erscheinen, die er jemals zu sich genommen hat. Kaum hat er nichts mehr in sich, lassen die Magenschmerzen nach, aber nun hat ein Schwellenarbeiter beschlossen, ihm gigantische Schienennägel durch den Kopf zu treiben. Arme und Beine bestehen aus Gummi. Sonny konzentriert sich auf sein Bike. Es scheint zu stehen. Er begreift nicht, wie er sich unter diesen Umständen noch vorwärts bewegen kann, aber er beobachtet, dass eine blutbespritzte Hand den Gasgriff dreht, und schafft es, auf der Maschine zu bleiben, als diese wieder anfährt. Ist das mein Blut? , fragt er sich und denkt an die doppelten Blutstrahlen, die er aus Kaiser Bills Nase hat strömen sehen.
Ein Geräusch, das im Hintergrund an Lautstärke zugenommen hat, verwandelt sich in das Röhren eines zur Landung einschwebenden Jumbojets. Sonny sagt sich, dass er heute auf keinen Fall mehr dieses Ungeheuer sehen will, das imstande ist, solche Töne von sich zu geben. Mouse hat völlig Recht gehabt: Das hier ist ein schlimmer, schlimmer Ort, der es ohne weiteres mit der bezaubernden Kleinstadt Harko, Illinois, aufnehmen kann. Sonny will keine weiteren Harkos mehr erleben, okay? Eines reicht ihm fürs ganze Leben. Warum fährt er also weiter, statt zu wenden und sich in den sonnigen Frieden des Highways 35 zu flüchten? Warum zieht er diese großkalibrige Waffe aus der Tasche? Die Erklärung dafür ist ganz einfach. Er denkt nicht daran, sich von diesem Düsenflugzeug-Hund die Kronjuwelen abbeißen zu lassen, selbst wenn ihm der Kopf noch so sehr schmerzt.
Der ewige Schwellenarbeiter treibt Sonny diese Riesennägel weiter in den Kopf, während er schneller wird, mit zusammengekniffenen Augen nach vorn starrt und herauszubekommen versucht, was dort passiert ist. Irgendjemand schreit, aber er kann die Stimme nicht identifizieren. Trotz dem grausigen Knurren hört er das unverkennbare Geräusch eines Bikes, das nach einem Überschlag auf den Erdboden knallt, und fühlt sofort, wie sein Herz bebt. Beezer sollte immer die Führung haben, sagt er sich, sonst fordern wir das Schicksal heraus. Dann kracht ein Schuss. Sonny zwingt sich dazu, durch die klebrigen Atome in der Luft weiterzufahren, und entdeckt nach weiteren fünf, sechs Sekunden Beezer, der sich mit schmerzverzerrtem Gesicht neben seinem umgestürzten Bike aufrappelt. Dicht hinter Beezer kommt Docs bullige Gestalt in Sicht; er steht breitbeinig über seinem Bike und zielt mit seiner 9-mm-Pistole auf irgendetwas vor sich auf dem Weg. Doc drückt ab, und rotes Mündungsfeuer blitzt aus dem Pistolenlauf.
Sonny, der sich erledigter und nutzloser als je zuvor in seinem Leben fühlt, springt von seinem noch rollenden Bike, rennt auf Doc zu und bemüht sich, an diesem vorbeizusehen. Als Erstes sieht er einen Lichtreflex von Mouse’ Harley, die acht Meter weiter am Eingang der Kurve flach auf der Seite liegt.
Dann entdeckt er Mouse, der auf dem Hintern sitzend vor irgendeinem Tier zurückweicht, von dem Sonny außer Augen und Zähnen kaum etwas ausmachen kann. Ohne zu merken, dass er dabei ununterbrochen ordinär flucht, zielt Sonny mit seiner Pistole auf das schemenhafte Wesen und drückt ab, als er gerade an Doc vorbeirennt.
Doc steht bloß da; Doc ist vorläufig außer Gefecht. Das Ungeheuer vor ihnen auf dem Weg bekommt das Bein von Mouse zwischen die Reißzähne. Es will einen Muskelklumpen von der Größe eines Hamburgers herausbeißen, aber Sonny trifft es mit einer gottverdammten Dumdum-Rakete aus seiner Magnum – für den Schießstand etwas angeberhaft, aber unter diesen Umständen nur angemessen, aber hoppla. Entgegen allen Erwartungen und Naturgesetzen reißt Sonnys erstaunliches Wundergeschoss beileibe kein footballgroßes Loch in den Körper des Ungeheuers. Das Dumdumgeschoss wirft es lediglich zur
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