Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
er als Erstes schießen soll.
In seinen Ohren knackt es laut, dann kann er wieder richtig hören. Mouse kreischt weiter. Doc versteht nicht, wie er das Knurren des Hundes bisher hat überhören können, trotz dem Motorenlärm und dem Kreischen von Mouse ist dieses sich bewegende Knurren nämlich das lauteste Geräusch hier im Wald. Der gottverdammte Hund der Baskervilles kommt auf sie zugerannt, und Mouse und Beezer sind beide außer Gefecht. Dem Knurren nach muss die Bestie die Größe eines Bären haben. Doc zielt mit seiner Pistole nach vorn und lenkt mit nur einer Hand, als er an Beezer vorbeiröhrt, der unter seiner Maschine hervorkriecht und sich aufrappelt. Dieses gewaltige Knurren … Doc stellt sich einen bärengroßen Hund vor, der den Kopf von Mouse zwischen die aufgerissenen Kiefer nimmt, verdrängt das Bild aber sofort wieder. Die Ereignisse überschlagen sich jetzt, und wenn er nicht aufpasst, könnte es sein, dass er zwischen diese Kiefer gerät.
Er hat gerade noch Zeit, sich zu sagen: Das ist kein gewöhnlicher Hund, nicht mal ein Riesenköter …
… als rechts von ihm etwas gewaltig Großes und Schwarzes aus dem dichten Wald hervorbricht und in einer Diagonalen auf Mouse zuhält. Doc drückt ab, und auf den Schussknall hin wirft das Tier sich halb herum und knurrt jetzt ihn an. Deutlich sehen kann Doc nur zwei rote Augen und eine aufgerissene rote
Schnauze mit langer Zunge und vielen scharfen Hundezähnen. Alles andere ist so undeutlich und verschwommen, nicht klarer definiert, als wäre es in einen wehenden Umhang gehüllt. Ein Blitzstrahl aus schierem Entsetzen, das beißend scharf wie billiger Wodka schmeckt, durchzuckt Doc von der Kehle bis zu den Hoden, und sein Bike bricht hinten aus und kommt schleudernd zum Stehen – er hat mit einer reinen Reflexbewegung angehalten. Plötzlich kommt er sich wie in tiefster Nacht vor. Natürlich kann er die Bestie nicht sehen – wie sollte man mitten in der Nacht auch einen schwarzen Hund sehen?
Das Untier wirft sich herum, geht wieder auf Mouse los.
Mich will es wohl wegen der Waffe und den beiden anderen hinter mir nicht angreifen, denkt Doc. Sein Kopf und die Arme scheinen jeweils weitere zehn Kilo schwerer geworden zu sein, aber er kämpft gegen das Gewicht seiner Muskeln an, streckt die Arme aus und drückt ein weiteres Mal ab. Diesmal weiß er, dass er das Ungeheuer getroffen hat, dessen einzige Reaktion jedoch nur aus einer ruckartig jähen Kursänderung besteht. Die verschwommenen Umrisse des Hundeschädels wenden sich Doc zu. Das Knurren wird noch lauter, und lange silbrige Sabberfäden tropfen aus der aufgerissenen Schnauze. Etwas, das ein Schwanz sein könnte, peitscht durch die Luft.
Als Doc in den weit offenen roten Rachen blickt, verlässt ihn seine Entschlossenheit, seine Arme werden noch schwerer, und er ist kaum imstande, den Kopf hochzuhalten. Er hat das Gefühl, in diesen roten Schlund zu stürzen; die Pistole baumelt in seiner schlaffen Rechten. In einem bis in alle Ewigkeit fortwährenden Augenblick kritzelt ebendiese Hand die Verordnung für das Medikament, das Daisy Temperly nach der Operation erhalten soll. Das Ungeheuer trabt weiter auf Mouse zu. Doc hört Sonnys Stimme, hört ihn laut fluchen. Ein Schussknall rechts neben ihm lässt ihn auf beiden Ohren ertauben, und die Welt wird schlagartig stumm. Da haben wir’s, sagt Doc sich. Mittägliche Nacht.
Über Sonny bricht die Nacht gleichzeitig mit dem brennenden Schmerz in Kopf und Magen herein. Ein einziger Schmerzstrahl durchzuckt ihn: ein für ihn so neuartiges und extremes Phänomen,
dass er annimmt, es habe außerdem das Tageslicht ausgelöscht. Er und Kaiser Bill sind drei Schritte hinter Beezer und Doc und haben gerade erst fünfzehn Meter auf dem schmalen Weg zurückgelegt. Der Kaiser lässt seinen Lenker los und greift sich mit beiden Händen an den Kopf. Sonny weiß genau, wie ihm zumute sein muss: Ein gut armlanger Pflock aus rot glühendem Eisen ist auch in seinen Kopf und durch den gesamten Körper bis in seine Eingeweide getrieben worden und verbrennt alles, was mit ihm in Berührung kommt. »He, Mann«, sagt er und bemerkt trotz seinem elenden Zustand, dass die Luft so matschig geworden ist, als wären einzelne Sauerstoff- und Kohlendioxidatome klebrig genug, um an seiner Haut zu haften. Dann bemerkt Sonny, dass die Augen des Kaisers sich nach oben verdrehen, und erkennt, dass der Mann neben ihm im Begriff ist, ohnmächtig zu werden. Auch wenn er sich
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