Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
Seite und lenkt es von Mouse’ Bein ab; es streckt das Tier nicht einmal zu Boden. Mouse stößt einen lauten Schmerzensschrei aus.
Der Hund wirft sich herum und starrt Sonny mit baseballgroßen feurigen Augen an. Er reißt die Schnauze mit den scharfen Reißzähnen auf und schnappt nach Luft. Schleimfäden tropfen von seinem Unterkiefer. Das Untier senkt den Schädel und kommt langsam heran. Erstaunlicherweise wird sein Knurren noch lauter und wilder. Die darin liegende Warnung ist unüberhörbar: Ergreift Sonny nicht schleunigst die Flucht, ist er als Nächster dran.
»Fick dich«, sagt Sonny, zielt auf die Hundeschnauze und drückt ab. Eigentlich müsste der ganze Schädel in blutigen Fetzen auseinander fliegen, aber in der ersten Sekunde nach dem Schuss aus der Magnum verändert sich nichts.
O Scheiße, denkt Sonny.
Die Augen des Hundewesens glühen, und sein keilförmiger Raubtierschädel scheint sich aus dem in der Luft liegenden Dunkel zusammenzufügen. Als wäre eine Tarnkappe teilweise zur Seite gezogen worden, kann Sonny einen massigen Nacken erkennen, der zu muskelbepackten Schultern und starken Vorderläufen hinunterführt. Vielleicht ist das Blatt dabei, sich
zu wenden; vielleicht erweist dieses Ungeheuer sich doch als verwundbar. Sonny umfasst sein rechtes Handgelenk mit der linken Hand, zielt auf die Brust des Hundewesens und drückt wieder ab. Nach dem Schussknall hat er das Gefühl, seine Ohren seien mit Watte verstopft. Alle Schienennägel in seinem Kopf glühen wie elektrische Heizspiralen, und zwischen seinen Schläfen flirrt ein greller Schmerz.
Aus der Brust des Untiers quillt ein breiter Strom dunklen Bluts. Sonny Cantinaro fühlt in seinem Innersten ein unverfälschtes, primitives Triumphgefühl zum Leben erwachen. Von dem Ungeheuer wird allmählich mehr sichtbar: der breite Rücken und eine Andeutung der Hinterläufe. Mit einer Schulterhöhe von über eins zwanzig ist das keiner bekannten Rasse zugehörige Hundewesen ungefähr so groß wie ein riesiger Wolf. Als es auf ihn zukommt, schießt Sonny erneut. Irgendwo dicht hinter ihm wiederholt der Knall seiner Waffe sich wie ein Echo; ein Geschoss zischt wie eine Wespe mit Turbolader an seiner Brust vorbei.
Das Untier weicht mit einem verletzten Bein hinkend zurück. Sein vor Wut funkelnder Blick bohrt sich in Sonnys Augen. Sonny riskiert einen Blick nach hinten und sieht Beezer in Schussposition mitten auf dem Weg stehen.
»Glotz mich nicht an, schieß!«, ruft Beezer.
Seine Stimme scheint Doc zu wecken, der nun den Arm hebt und auf das Untier zielt. Dann geben alle drei einen Schuss nach dem anderen ab, und auf der kleinen Straße klingt es wie am Schießstand bei Hochbetrieb. Das Hundewesen (der Höllenhund , denkt Sonny) hinkt einen weiteren Schritt zurück und reißt den schrecklichen Rachen auf, um vor Wut und Frustration zu heulen. Noch bevor das Heulen abbricht, sammelt das Wesen seine Hinterläufe unter dem Leib, springt mit einem Riesensatz über den Weg und verschwindet im Wald.
Sonny widersteht dem Drang, unter einer Woge von Erleichterung und Erschöpfung zusammenzuklappen. Doc dreht den Oberkörper zur Seite und schießt weiter ins Dunkel unter den Bäumen, bis Beezer ihm eine Hand auf den Arm legt und »Feuer einstellen!« befiehlt. Die Luft stinkt nach Kordit und einem
Tiergeruch, der moschusartig und Ekel erregend süßlich ist. Der langsam aufsteigende hellgraue Pulverdampf schimmert in der dunkleren Luft fast weiß.
Als Beezer ihm sein erschöpftes Gesicht zuwendet, sieht Sonny, dass das Weiße seiner Augen blutunterlaufen ist. »Du hast das Scheißding doch getroffen, oder nicht?« Wegen der Wattepfropfen, die in Sonnys Ohren zu stecken scheinen, klingt Beezers Stimme dünn und blechern.
»Scheiße, ja. Mindestens zweimal, wahrscheinlich sogar dreimal.«
»Und Doc und ich haben es beide einmal getroffen. Was zum Teufel ist dieses Ding?«
»›Was zum Teufel‹ ist richtig«, sagt Sonny.
Mouse, der vor Schmerzen weint, ruft bereits zum dritten Mal: »Helft mir!«, und endlich hören die anderen ihn. Sie bewegen sich langsam, halten die Hände auf die jeweils am meisten schmerzenden Körperteile gedrückt, humpeln den Weg entlang und knien sich schließlich vor Mouse hin. Das rechte Bein seiner Jeans ist zerrissen und mit Blut getränkt, das Gesicht vor Schmerz verzerrt.
»Seid ihr Arschlöcher taub?«
»Beinahe«, sagt Doc. »Erzähl mir bloß nicht, dass du eine Kugel ins Bein gekriegt hast.«
»Nein, aber
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