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Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
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Handy. »Müssen sich beeilen … müssen schleunigst herkommen, Mann. Ding … hat mich gebissen. Ich spür’s in mir. Wie Säure.«
    »Durchhalten, Mouse«, sagt Jack. Seine Finger, die das Handy umklammern, sind so weiß wie abgestorben. Ihn wundert, dass das Gehäuse unter seinem Griff nicht zerbricht. »Ich komme, so schnell ich kann.«
    »Will’s hoffen. Anderen … haben’s schon vergessen. Ich nicht.« Mouse lacht leise vor sich hin. Unvorstellbar gruselige Laute, die geradewegs aus einem offenen Grab zu kommen scheinen. »Ich hab … das Gedächtnisserum, okay? Es frisst mich auf … frisst mich lebend auf … aber ich hab’s.«
    Wieder ein Rascheln, während das Handy weitergegeben wird, dann meldet sich eine neue Stimme. Eine Frauenstimme. Jack vermutet, dass sie Bear Girl gehört.
    »Sie haben sie darauf angesetzt«, sagt sie. »Durch Ihre Schuld ist’s soweit gekommen. Sorgen Sie dafür, dass es nicht umsonst war.«
    Dann hört Jack nur noch ein Klicken. Er wirft das Handy auf den Beifahrersitz und denkt, dass hundertzwanzig vielleicht doch nicht zu schnell ist.
     
    Einige Minuten später (Minuten, die ihm sehr lang vorkommen) kneift Jack die Augen in dem grellen Sonnenlicht, das sich auf dem Tamarack Creek spiegelt, zusammen. Von hier aus kann er beinahe sein Haus sehen – auch Henrys Haus.
    Henry.
    Jack klopft mit dem Daumen leicht an seine Hemdtasche und hört das Klappern der Kassette, die er aus dem Recorder in Spieglemans Schreibtisch mitgenommen hat. Eigentlich ist es kaum noch nötig, sie jetzt Henry zu übergeben; berücksichtigt man, was Potter ihm gestern Abend erzählt hat und was Mouse ihm heute erzählen wird, falls dieser lange genug durchhält, sind diese Kassette und die von der Notrufaufzeichnung mehr oder weniger überflüssig geworden.
Außerdem hat er es eilig, in die Nailhouse Row zu kommen. Ein Zug steht zur Abfahrt bereit, und Mouse Baumann wird höchstwahrscheinlich an Bord sein, wenn dieser Zug abfährt.
    Und trotzdem …
    »Ich mache mir Sorgen um ihn«, sagt Jack leise zu sich selbst. »Sogar ein Blinder könnte sehen, dass ich mir Sorgen um Henry mache.«
    Die helle Sommersonne, die jetzt auf der Nachmittagsseite des Himmels dem Horizont entgegensinkt, spiegelt sich im Wasser und lässt schimmernde Reflexionen über sein Gesicht tanzen. Die Augen scheinen ihm jedes Mal zu brennen, wenn das grelle Licht sie trifft.
    Im Übrigen ist Henry nicht der Einzige, um den Jack sich Sorgen macht. Er hat schlimme Vorahnungen in Bezug auf alle seine neuen Freunde und Bekannten in French Landing – von Dale Gilbertson und Fred Marshall angefangen bis hin zu solchen Randfiguren wie Steamy McKay, einen ältlichen Kerl, der sich sein Geld als Schuhputzer vor der Stadtbibliothek verdient, und Ardis Walker, der das baufällige Geschäft für Anglerbedarf unten am Fluss führt. In seiner Vorstellung scheinen jetzt alle diese Menschen aus Glas gemacht zu sein. Würde der Fisherman beschließen, ein dreigestrichenes C zu singen, würden sie in Schwingungen geraten, um dann zu Staub zu zerfallen. Nur macht Jack sich jetzt eigentlich nicht mehr Sorgen wegen des Fisherman.
    Dies ist ein Fall, ermahnt er sich. Trotz allen aus den Territorien hineinspielenden unheimlichen Effekten bleibt es ein Fall, und es ist beileibe nicht der erste Fall, den du je bearbeitet hast, in dem dir plötzlich alles zu groß vorgekommen ist. In dem dir alle Schatten zu lang erschienen sind.
    Alles richtig, aber sonst verblasst dieser Eindruck von einer wie in einem Spiegelkabinett verzerrten Perspektive immer, sobald er beginnt, den Fall in den Griff zu bekommen. Diesmal ist jedoch alles schlimmer, weit schlimmer. Jack weiß auch, warum. Der lange Schatten des Fisherman ist ein Mr. Munshun genanntes Wesen, ein unsterblicher Talentsucher aus irgendeiner anderen Existenzebene. Und selbst damit ist die
Sache noch nicht zu Ende, denn auch Mr. Munshun wirft einen Schatten. Einen roten Schatten.
    »Abbalah«, murmelt Jack. »Abbalah-doon, Mr. Munshun und die Rabenkrähe Gorg – nur drei alte Kumpel, die gemeinsam durch Plutos nächtige Sphäre gehen.« Aus irgendeinem Grund muss er dabei an das Walross und den Zimmermann aus Lewis Carrolls Alice im Spiegelland denken. Was haben diese beiden zu ihrem Mondscheinspaziergang mitgenommen? Venusmuscheln? Miesmuscheln? Jack kann sich verdammt noch mal nicht daran erinnern, obwohl eine Zeile daraus auftaucht und ihm, von der Stimme seiner Mutter gesprochen, durch den Kopf

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